Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Wednesday, December 17, 2014

Der Jakobsweg Teil 2



Nach einem gemeinsamen Abend, starteten wir auch den naechsten Tag alle zusammen. Leider regnete es wieder.

Immer wieder Regen.
Schon beim Aufstehen verspuerte ich ein unangenehmes Ziehen - die immer nassen Schuhe und unglaublich kalten Fussboeden in den kalten Herbergen hatten ihr Uebriges getan. Ich hatte eine Blasenentzuendung.
Das war das erste Mal, dass etwas Panik in mir aufkam und ich den Morgen nicht ganz so positiv begann, wie die vergangenen Tage. Ich foehnte die Schuhe, aber sie wurden nicht richtig trocken - ausserdem regnete es draussen so sehr, dass sie schon nach wenigen Minuten wieder durchgeweicht waeren.

Erst dachte ich - einen Foen im Gepaeck herum tragen, sind die verrueckt? Aber tatsaechlich war dieser kleine Haartrockner unglaublich praktisch, um immer wieder alle Klamotten zu trocknen!
Auf dem Weg hielten wir in einer Apotheke an und ich kaufte mir "Cranberry-Sirup", der wuerde mich schon heilen.
Trotz allem war der erste Teil des Weges relativ entspannt. Jeder lief sein eigenes Tempo, in kleinen oder in groesseren Gruppen, aber irgendwann trafen wir uns immer wieder.

Da sind sie wieder - die Schnecken.
Das Wetter wechselte immer zwischen Regen und Sonne ab.
Einmal liefen wir bergauf und die Sonne schien, aber ich zog nicht wie sonst meine Jacke aus.
Aber Faulheit ist nicht gut beim Wandern, lieber alle 5 Minuten die Jacke an- und ausziehen! 
Denn sonst wird man nass vom Regen, schwitzt oder wird kalt - so oder so - man kann sehr einfach krank werden.
Als ich oben ankam war ich durchgeschwitzt und alles schien nass. Dann kam ein extremer Wind dazu und das gab meiner Blasenentzuendung den Rest.
Nun hatte ich tatsaechlich Schmerzen.


Aber meine kleine "Camino-Familie" gab mir unglaublichen Halt.
Einer bot mir seinen Stock zum Laufen an. Der Naechste teilte mit mir fuer den gesamten Weg seine Musik, obwohl das sehr unpraktisch war, weil alle 2 Minuten die Ohrenstoepsel wieder aus dem Ohr fielen. Zu zweit Laufen und dieselben Kopfhoerer benutzen ist eben schwer.
Die Anderen ueberlegten, ab wo ein Bus fahren wuerde, reichten mir Wasser und liessen mich einfach Schweigen und Reden, so viel ich wollte.  

 
Irgendwann kamen wir in diesem Ort an, der auf der Karte gross erschienen war und in dem es einen Supermarkt und eine Bushaltestelle geben sollte. Von dort aus wollte ich mit dem Bus weiter zur Herberge fahren.
Aber als wir dort ankamen, war dort nichts, ausser ein paar wenigen Haeusern.

20 km waren wir an diesem Tag bereits gelaufen, 20 km mit einer Blasenentzuendung. Gegessen hatten wir sehr wenig, aber da es hier nichts zu kaufen gab, suchte Jeder das Wenige zusammen, dass er hatte und es wurde geteilt.

Als ich hoerte, dass ich nun noch 10 km weiter laufen muesste, da es keinen Bus gab, haette ich mich am Liebsten auf die kalte Bank gelegt und einfach nur geschlafen. Ich war wie in einer anderen, eigenen Welt und nahm alles um mich herum kaum auf.

Braucht Jemand neue Schuhe?
Aber die Anderen waren an meiner Seite und ein paar Minuten spaeter hatten sie mir einen privaten Fahrer besorgt. Sie sprachen den einzigen Mann an, den sie sahen und als er von meiner Geschichte hoerte, stimmte er zu, mich bis zur Herberge zu fahren. Ausserdem wuerde mich einer meiner Freunde begleiten und das bedeutete mir viel, hatte er damit ja offiziell seinen Jakobsweg unterbrochen!
Als ich in der Herberge ankam, zitterte ich vor Kaelte und legte jede Decke auf mich, die ich fand. Einfach nur schlafen und alles warm halten, mehr wollte ich nicht.

Als ich wieder aufwachte, waren die Anderen auch angekommen und mir ging es besser.


Nur einer der Spanier kam erst spaeter und ich fand schnell heraus warum. Er war im Krankenhaus.
Mehrmals hatte er sich uebergeben muessen und die einzige Theorie der Aerzte war, dass der wirklich starke Wind und Regen ihm extrem zugesetzt hatten.
Zufaellig und ohne von uns zu wissen, fragten sie genau denselben Mann, der auch mich zur Herberge gefahren hatte, ob er nun den Spanier dorthin bringen wuerde.

Dieser Mann musste nun allerdings arbeiten und so wurde einer der Beiden mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, waehrend der Andere mit dem Taxi zur Herberge fuhr.
Schon wenige Stunden spaeter war aber auch er wieder in Ordnung und unser "Krankenzimmer" war wieder erfuellt von schoenen Gespraechen und Lachen. 

Kleine Pause am Wegesrand.
Hatten wir gestern 30 km vor uns gehabt, waren es am naechsten Tag nur 8 km.
Es gab ja nicht ueberall Herbergen und so mussten wir unseren Weg den Unterkunftsmoeglichkeiten anpassen.
Dies war der letzte Tag unserer gemeinsamen Wanderung und obwohl wir uns auf "Mondoñedo", unser eigenes kleines "Santiago de Campostela", freuten, hiess es doch auch Abschied nehmen voneinander. Die Anderen wuerden weiter nach Santiago laufen.


  


Die letzten Meter
Als wir in Mondoñedo ankamen schien die Sonne. Zumindest fuer einen Moment, bis der Regen sich wieder ankuendigte und wir einen Regenbogen sehen durften.





Wir kamen in dieselbe Touristeninformation, in der wir auch vor einigen Tagen gewesen waren.
Dann holten wir unser Gepaeck von der Allianz und gingen zur Herberge, in der sonst Niemand war. Die Anderen verzichteten heute auf ein Weiterlaufen, um einen letzten gemeinsamen Abend mit uns zu verbringen!

Auf zur letzten Herberge
Zurueck in demselben Cafe, in dem wir auch vor unserer Wanderung gesessen hatten


Leider ging es mir an diesem Abend gar nicht gut. Gerne waere ich fuer eine Weile an einem warmen Ort geblieben und haette einfach meine Krankheit auskuriert, aber auf unserer Reise ist das eben nicht so einfach moeglich. Selbst alle Hostels oder Privathaeuser, in denen wir spaeter noch schliefen, waren eiskalt und im Bett benutzte ich mindestens 2 oder 3 Decken.
Ein paar Wechselschuhe waeren in solchen Momenten wirklich praktisch gewesen, aber so, konnte ich nur weiter in nassen Schuhe oder einem Paar Socken herum laufen.

Am Morgen verabschiedeten wir uns von Pascal, unserem laengsten Reisebegleiter und hofften einfach, dass wir ihn irgendwann wieder sehen wuerden.
Auch den beiden Spaniern sagten wir bald Tschuess.



Sabs und Ich wollten noch eine Nacht in einer anderen Herberge verbringen, die einen Kamin und hausgemachtes Essen gegen eine Spende versprach. Vielleicht konnten wir uns dort ein bisschen aufwaermen!?
Nur 2 km waren es bis dorthin und da diese Herberge auch am Jakobsweg lag, liefen wir das letzte kleine Stueck mit den Italienern zusammen.

Ich kam nun doch noch dazu ein Stueck des Jakobsweges mit meinem Rollkoffer zu bestreiten!

Meinen Koffer kann man sowohl als Rollkoffer, wie auch als Rucksack benutzen.
Ich lief das letzte Stueck des Jakobsweges mit dem Rollkoffer.
Und dann passierte etwas Wunderschoenes! Noch bevor wir das Schild sahen, dass die Herberge ankuendigte, sprangen uns unsere zwei spanischen Freunde voller Freude entgegen und erzaehlten begeistert von diesem wunderschoenen Ort, den sie hier gefunden hatten!
Die Herberge war eigentlich das Privathaus einer Frau, die sich vor kurzer Zeit aus der Stadt zurueckgezogen hatte, um nun in einem kleinen Haus auf dem Land zu leben.
Am Eingang befand sich ein Schild: "Nimm was du moechtest und gib was du kannst".
Je nach Jahreszeit gab es hier Obst und Gemuese fuer die vorbeiziehenden Pilger.

"Nimm was du moechtest und gib was du kannst". Fuer eine Spende gibt es heute Aepfel fuer vorbeiziehende Pilger.




Ebenfalls gegen eine Spende, bietet diese Frau den Pilgern ein Bett und selbst gemachtes Essen.
Die zwei Spanier freuten sich so ueberschwenglich ueber diesen schoenen Ort, dass sie beschlossen, noch eine weitere Nacht mit uns hier zu verbringen.
Wie schoen, wir mussten uns also doch noch nicht verabschieden!
Die Italiener beschlossen noch ein paar Stunden hier zu bleiben und dann weiter zu ziehen.

Huehner fuettern


Noch ein weiterer Pilger hatte sich hierher verlaufen. Ein Spanier, der den Jakobsweg bereits beendet hatte und nun fuer ein paar Tage hier aushalf und lebte. Die Italiener hatten ihn bereits vorher auf ihrem Weg getroffen und freuten sich ueber ein Wiedersehen.



Wir boten unsere Hilfe an und als Erstes pflueckten wir alle gemeinsam Aepfel.
Danach schaelten wir sie und nahmen sie aus, bevor sie zu Apfelmus verkocht wurden, den es am naechsten Morgen zum Fruehstueck gab.

Aepfel pfluecken und aufsammeln


Danach die Aepfel schaelen und ausnehmen, um spaeter Apfelmus daraus zu kochen.


Danach wurde das Mittagessen gekocht.
Es gab Suppe, spanische "Tortilla" (aehnlich wie Omelett, mit Zwiebeln, Schinken, Kartoffeln, Pilzen u.ae.), leckeres Brot und Salat.

Kochen fuer das Mittagessen
"Tortilla", spanisches Omelett


Ein unglaublich leckeres Mahl!



Der Ofen war an und endlich konnten wir uns und unsere Sachen trocknen und waermen. Gleichzeitig wurde die Suppe fuer den Abend darauf gekocht.
Nun beschlossen auch die Italiener noch eine Nacht hier zu bleiben und obwohl wir uns am Morgen verabschiedet hatten, wuerden wir am Abend doch wieder alle beisammen sein. Nur Pascal fehlte.



Mein winziges Reisebadetuch! Wohl etwas zu viel getrocknet...
Frisch gestaerkt ging es nun in den Wald, den kleinen Huegel hinauf. Dort holten wir bereits gesaegtes Holz und liessen es den Berg hinuter rollen, bis es auf der Strasse landete. Von dort wuerden wir es spaeter aufsammeln, die wenigen Meter zur Farm tragen und spalten.
Sabs ihre Aufgabe war es, die wenigen Autos auf der Strasse anzuhalten, damit sie nicht vom Holz getroffen wurden.

Sabs machte quasi "Autostop" und darueber mussten wir lachen. Denn normalerweise ist das die spanische Bezeichnung fuer "Trampen", wir hatten es schon so oft genutzt.
Am Ende gab es hausgemachten Apfelwein und unsere Gastgeberin erzaehlte uns die Geschichte vom Jakobsweg:



Nachdem der Apostel Jakob in Spanien gepredigt hatte, um die Menschen zum Christentum zu bekehren, kehrte er im Jahr 44 zurueck und wurde dort gefangen genommen, gefoltert und getoetet. Der Koenig verbot ihn zu begraben.
Jakobs Schueler aber stohlen den Leichnam und liessen ihn auf einem Boot ins Meer hinaus treiben.
Ein Engel geleitete das Boot in eine Gegend ca. 20 km von Santiago entfernt und dort bestattete man Jakob heimlich im Wald.

Einmal sah Jemand ein seltsames Leuchten und hoerte Gesaenge an dieser Stelle, daraufhin wurden Untersuchungen eingeleitet und das Grab wurde gefunden.
Die Siedlung "Santiago de Compostela" entstand.
"Leuchten" bedeutet auf lateinisch "Campus Stellae", Feld des Sterns.
Eine grosse Kathedrale wurde gebaut und mehr und mehr Pilger folgten dem Jakobsweg.
Im 12. und 13. Jh. erreichte die Stadt ihre groesste Bedeutung, denn der Papst legte fest, dass Jeder, der in einem heiligen Jahr nach Santiago pilgert, alle seine Suenden erlassen bekommt.

1589 wurden die Reliquien vor einem Pluenderer in Deckung gebracht und so gut versteckt, dass man sie danach fuer fast 3 Jahrhunderte nicht mehr wieder finden konnte.
Erst 1879 wurden Jakobs Reliquien wiederentdeckt, der Papst erkannte sie als echt an und rief wieder zu Wallfahrten auf.

Ein grosser Teil dieser Geschichten ist historisch allerdings nicht belegt.

(http://www.red2000.com/spain/santiago/2histor.html,
http://www.spanien-bilder.com/galicien/jakobsweg/zeittafel-geschichte.php)



Wie viel man an diese Geschichten glaubt, ist Jedem selber ueberlassen.
Persoenlich begegnete ich fast keinem Menschen, der aus religioesen Gruenden den Jakobsweg lief. Viele waren junge Menschen mit einer grossen Menge Abenteuerlust, auf der Suche nach ein paar Antworten in ihrem Leben.



Der Abend wurde unvergesslich.
Unsere Gastgeberin drehte die Musik laut auf, ich spielte mit der Floete daher, Sabs rasselte mit dem kleinen Rasselei, der Italiener besorgte sich einen Topf zum trommeln, zwei Andere fingen an wie wild zu tanzen, der Spanier jonglierte mit seinen Zitronen und unsere Gastgeberin besorgte sich jeden moeglichen Kuechengegenstand, um damit zu klopfen, zu rasseln oder irgendwie Musik zu machen!
Auch als sie spaeter zu Bett ging, stoerte sie der Laerm nicht.

Trommeln auf dem Topf
Unterricht im Floete spielen...
...oder auch im Jonglieren. Diesmal mit Aepfeln.


Am naechsten Tag hiess es dann aber wirklich Verabschieden.
Die Italiener zogen den Jakobsweg weiter, die Spanier blieben noch ein wenig in der Farm und Sabs und mich zog es zurueck nach "Mondoñedo", von wo aus wir versuchten weiter Richtung Santiago zu trampen.

Allerdings fuhren von dort aus nicht viele Autos und letztendlich nahmen wir einen Bus, schliefen eine weitere Nacht in einer Herberge und fuhren einen Tag spaeter mit dem Bus nach "Santiago de Compostela".

Ab jetzt zieht Jeder wieder alleine weiter
Wir waren eine Gruppe von Deutschen, Italienern, Spaniern und einem Schweizer. Manche sprachen spanisch und italienisch, aber kein Wort englisch. Wir wiederum sprachen deutsch und englisch, aber kaum spanisch und kein italienisch.
Es war so spannend, mit all diesen Menschen zu reisen und obwohl wir mit Einigen nicht einmal dieselbe Sprache sprachen, waren wir zu einer richtig kleinen Familie zusammen gewachsen, die sich tatsaechlich immer zu verstaendigen gewusst hatte.
Die Magie des Jakobsweges.



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