Willkommen
in einem Land, in dem die bunte Natur noch Herrscher über die grauen
Gebilde der Neuzeit ist, in dem die Störche ihre Nester noch auf den
Dächern und Masten bauen und die Omis auf dem Land ihre Kopftücher
aufsetzen bevor sie in den Wald gehen um Beeren oder Pilze zu sammeln.
Ein Land, in dem sich aber auch eine Unzahl an Mücken, Zecken und noch
viel grösseren "Viehbremsen" das Leben im Freien nicht nehmen lassen und
mit gierigem Durst auf Jeden einstechen, der auch noch einen Tropfen
Blut in seinem Körper trägt.
Gut "verpackt" als Mückenschutz geht es mit den Frauen in den Wald zum Pilze sammeln |
Ein
Land, gerade so gross wie Niedersachsen, in nur 5 Stunden kann man es
einmal durchfahren und die Menschen beobachten, die sich in allen
Richtungen ausbreiten, weil es ihnen an Platz nicht mangelt - 30
Menschen leben auf einem qkm, in Deutschland sind es 299.
Die Scheunen "unserer" Farm |
Willkommen in einem
Land, in welch einem Angst und Bange werde könnte vor Bären und Wölfen,
die durch die grünen Wäldern streichen, aber wie der scheue Elch und der
Luchs, lassen sie sich so gut wie nie in Menschennähe blicken und
bevorzugen die Tiefen des Waldes - und es ist immerhin die Hälfte des
Landes Wald. Ein Land, das die Freiheit des Campings liebt - auf jedem
Fleckchen Erde darf man ungefragt sein Lager aufschlagen, jedes
Privatgelände darf in den hellen Tagesstunden betreten werden. Und so
streicht man durch die Wälder, vorbei an kleinen bewohnten Farmen mit
eigenen natürlichen Teichen, mit Kartoffelfeldern und
Johannisbeerhecken; pflückt auf seinem Weg kleine Walderdbeeren und
-himbeeren und steckt sie sich in den Mund, erlebt einen Nervenkitzel
wenn man in ein altes zerbrochenes Holzhäuschen einsteigt, bei dem die
Decke bereits durchhängt oder die Wände eingestürzt sind und man sich
vorstellt, in einem Heuboden allein zu übernachten; man hört den Kuckuck
in den Bäumen rufen und Kinder spielen die ihre 12 Wochen Sommerferien
geniessen, 12 Wochen!
"Unsere" Farm mit dem kleinen natürlichen Teich zum schwimmen |
Das ist Estland - mit dem höchsten Berg dessen 318 Meter man in 15 Minuten ersteigen kann und der trotz allem den Rekord hält der Höchste des Baltikums zu sein, ein Land, dass 2001 den "Eurovision Contest" gewonnen hat und noch immer im Streit mit Lettland liegt, wer von Beiden nun den Weihnachtsbaum erfand.
Ein
Land, das so klein und unbekannt erscheint, und doch war es ein Este
der eine der bekanntesten Internetkommunikationsmöglichkeiten der Welt
erfunden hat: "Skype".
Es
ist im Gesetz verankert, dass jeder Este und jede Estin ein Recht auf
Internet hat und deshalb gibt es in allen bewohnten Gebieten kostenlose
"Wi-Fi"- Punkte - 99 % des Landes sind dabei abgedeckt! Das ist in
Europa eine einmalige Regelung und Estland verfügt aufgrund dessen über
die meisten Internetanschlüsse pro Kopf weltweit. Hat man keinen eigenen
Computer - geht man in Bibliotheken, in die Post oder manchmal auch in
kleine Dorfläden.
Kramt
man weiter, findet man noch andere interessante Erfindungen der Esten,
das "Schmidt"-Telskop zum Beispiel, mit dem man Fotos des Himmels
schiessen kann; oder die Sportart "kiiking", schaukeln, bei der man mit
festgebundenen Händen und Füssen auf einer Schaukel steht und in 3 bis 8
Meter Höhe so lange Schwung holt, bis man Überschläge macht! Den Rekord
darin, halten natürlich die Esten.
"kiiking" - mit angebundenen Händen und Füssen kann man sich im Stehen mit der Schaukel überschlagen |
(Internetfoto) |
Und
noch einen anderen Rekord halten die Menschen an unserer "Ostsee", die
hier aufgrund der Lage "Westmeer" genannt wird: Sie sind tatsächlich
Weltmeister im Trinken von Alkohol mit einem Verzehr von 16 Liter reinen
Alkohols pro Person im Jahr. Deutschland liegt mit 12 Litern auf Platz
12, unerwarteterweise noch vor Russland. (Statistik der WHO)
Ob
das natürlich ein Erfolg ist auf den man stolz sein kann - darüber
lässt sich streiten. Vielleicht gibt es hier deshalb die 0,0 Promille -
Regel, ein Alkoholverbot auf allen öffentlichen Strassen und Plätzen und
eine Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h auf Landstrassen?
Betrunken oder schlafend in einem Park in Tallinn? |
Genau wie bei dieser Bar legen die Esten nicht viel Wert auf grosse Werbung und Ausschilderung, ein einfaches Wort wie "Baar", "juuksur" (Friseur) oder "Kauplus" (Shopname) sagt alles |
Ich habe mich
mittlerweile auch ohne Trinken in diesem Land einleben können und
geniesse das Leben auf dem Land, das Plumpsklo stört mich nicht und das
es warmes Wasser im Haus gibt ist ein Luxus, den Jaak und sein Vater
erst vor 2 Jahren eingeführt haben. Davor brachte man das Wasser zu
jeder Jahreszeit vom Brunnen ins Haus und musste es zum Abwaschen erst
auf dem Feuer erwärmen. Es gibt Strom, es gibt warmes Wasser, eine
Dusche und ein Bett! Was will man mehr?
Mit Jaaks Mutti "Ebe" und dem Hund "Kanki" |
Das die Esten
zurückhaltend sind und man erst eine Weile braucht mit ihnen warm zu
werden - diese Aussage meines kleinen Reiseführers konnte ich nicht
bestätigen. Schon als der Vater "Joel" uns vom Bahnhof abholte war ich
gerührt von seiner Umarmung und der echten Freude die er zeigte, auch
mich kennen zu lernen. Das er sich darüber freut seinen Sohn endlich
wieder zu sehen war mir klar, aber da ich nicht Jaaks erste Freundin bin
hatte ich erwartet, die Begegnung mit mir wäre eher gleichgültig fürdie
Eltern.
Und doch - ich
fühlte mich von Anfang an willkommen und war gerührt "Ebe" bei ihren
ersten Englischsprachversuchen zuzuhören als sie mit Tränen in den Augen
Jaak umarmte und mir erklärte: "Two years not seeing!"
Jaaks Vater "Joel" |
Am Anfang waren
Jaaks Eltern nur "zu Besuch", um uns zu begrüssen. Dann fuhren sie
zurück in die Hauptstadt Tallinn, in die Wohnung, in der auch Jaak
aufgewachsen war und nur die 3 Monate Sommerferien auf der Farm in
Südestland verbrachte. Damals lebten seine Grosseltern noch, es gab
Tiere, Heu wurde gemacht und eine Menge Landwirtschaft betrieben.
Nachdem es vor allem die beliebte Oma nicht mehr gibt (die, nebenbei
gesagt, im deutschen Kriegsgefängnis festgehalten wurde und nun dauernd
darüber gescherzt wird es sei gut, dass sie nicht wisse Jaak habe eine
deutsche Freundin, was sie aber in der Realität gar nicht gestört
hätte), seitdem sie nicht mehr lebt, ist auch ein Stück der besonderen
"Magie" auf der Farm verschwunden, Menschen machen eben einen Ort.
Und
von Magie kann man hier wirklich sprechen, hört man sich an welchen Job
Jaaks Vater vollführt: Er arbeitet für die Wasserwerke und sucht in
Estland und auch in anderen Ländern nach Wasser - mit der Wünschelrute!
Zugegeben - wäre es nicht der Vater meines eigenes Freundes und hätte
ich nicht die Karte gesehen mit all dem gefundenen Untergrundwasser -
ich hätte selbst gezweifelt ob so etwas tatsächlich möglich ist. Eines
Tages lass ich es mir persönlich zeigen, jeder kann es lernen - sagt das
Internet!
Eine Wünschelrute womit Joel, Jaaks Vater, nach Wasser sucht. (Internetfoto) |
Jaaks Mutti Ebe
hingegen arbeitet als Geographielehrerin mit "Teenis", in derselben
Schule, in die auch Jaak täglich ging - natürlich immer ein paar Meter
hinter ihr laufend oder einen Umweg machend um als junger Mann auf dem
Weg des Erwachsenwerdens ja nicht mit seiner eigenen Mutter gesehen zu
werden.
Die Schüler haben 9
Jahre Schulpflicht und gehen auf eine Gesamtschule - nur sind die
Jüngeren in einem getrennten Gebäude untergebracht. Bis zu diesem Alter
bekommt auch jeder Schüler eine kostenlose warme Mahlzeit in der
Mittagspause, was in den Klassen 10 - 12 (freiwilliges Gymnasium), nicht
mehr der Fall ist.
Jaak und die Schule die er 12 Jahre lang besuchte, seine Mutter Ebe arbeitet noch immer als Lehrerin dort. |
Einmal
waren für ein paar Tage 30 Teenis hier auf der Farm! Das war gleich am
Anfang unserer Zeit hier und nach einer Woche kompletter Ruhe, in der
nur Jaak und ich auf der Farm gewesen waren,
dachte
ich: " 30 Vierzehn- bis Sechszehnjaehrige? Wie soll das wohl werden?"
Ich musste lachen, als ein Haufen geschminkter und tod-hübscher Mädels
aus dem Bus stieg und ein paar Jungs ihnen aufmerksame Blicke zuwarfen -
das war Ebe`s diesjährige Abschlussklasse und sie feierten hier ihre
letzten Tage. Ich fand es toll, dass diese Kids sich trotz Plumpsklo und
viiiiel Natur entschieden hatten aus der geschäftigen Welt Tallinns
hierher zu kommen - einige von Ihnen konnten auf einer Wanderung in den
nächsten Tagen das erste Mal die Erfahrung des "Barfuss-Laufens auf
einem überfluteten Steg" machen und werden davon wohl noch ihren Kindern
erzählen, wenn sie es auch nicht gerade als angenehm empfanden...
Ich
freute mich, dass Drei von Ihnen deutsch in der Schule lernten und mich
sofort offen ansprachen. Zu tiefgehenden Gesprächen kam es nicht, aber
auch ein Namensaustausch reicht manchmal aus, einen internationalen
Austausch zu beginnen.
Spass am See |
Ein anderes Mal gab es etwas zu feiern, es war Mittsommer! Die Tage
22.- 24. Juni sind in Estland fast wichtiger als Weihnachten, nach
langen und kalten Wintern sind das die längsten Sonnentage, es wird so
gut wie gar nicht dunkel!
Das
Wetter war nicht gut, es regnete den ganzen Tag und da ich eh nichts
verstehen würde, freute ich mich nicht sehr darauf abends noch zu einem
allgemeinen Lagerfeuer zu gehen. Für "das ganze Dorf", was bei Farmen,
die alle kilometerweit ausseinanderliegen, schon etwas besonderes ist.
Aber erst grillten wir zu Hause Schaschlikspiesse und es gab ein grosses
Mahl.
Als
wir dann zum Fest kamen, war das Erste was ich sah, eine junge Frau die
von hinten einen Schuh durch ihre Beine warf. Na sind die Esten denn
verrückt? Aber bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde auch
ich angestellt zum Schuhe werfen! Puh war ich aufgeregt, es war ein
Wettlkampf! Aber es war alles als Spass gedacht, kein Stress also!
Der
Abend wurde immer besser und mir wurde sehr bald bewusst, welch ein
Glück ich hatte bei einer solch typischen estnischen Feier dabei sein zu
dürfen! Da war der 40jährige Nachbar, der so viele Hobbys und Jobs hat
wie Finger an den Händen und dank seiner Englischkenntnisse hatte ich
einen Gesprächspartner für viele Stunden. Da waren junge Familien mit
Kindern die herumtobten und mich mit staunenden Augen ansahen als ihnen
jemand mitteilte, ich sei aus Deutschland.
Da
waren junge Mädchen die Pfannkuchen und Schaschlikspiesse vergaben und
die mütterlichen Frauen, die mich immer wieder in ihrer Sprache zu dem
Stand hinschoben, damit ich auch ja nicht verhungere! Da war der
weitgereiste junge Mann der "die Welt gesehen hatte", weil er mit seiner
Mutter ein paar Monate in China lebte, nun strahlte sein
Selbstbewusstsein aus jeder Pore seines Körpers. Und da waren im
Gegensatz die älteren Farmer, die in ihrem Leben nie viel mehr als die
nächste Stadt gesehen hatten und sich aufgeregt in unsere englischen
Gespräche drängten: "Welche Sprache sprecht ihr?"
Und
fast keiner dieser Besucher war sich zu schade für all die witzigen
Spielchen die noch folgten, selbst die 88jährige Grossmutter war ohne
Probleme dabei! In Teams liefen wir zu einem Holzpflock und mussten
einen Nagel reinschlagen, dabei hatte aber jeder nur einen Schlag! Dann
musste man zurück laufen und der nächste war an der Reihe.
Oder
wir gaben so schnell es ging ein Päckchen im Kreis herum. Derjenige,
der es hatte als die Musik ausging, schied aus und musste vorher noch
eine Aufgabe wie "Mache ein Huhn nach" oder "gib jemanden ein
Kompliment" ausführen. Es war das einzige Spiel in dem es etwas zu
gewinnen gab - und ich wurde Sieger! Zu diesem Zeitpunkt war meine gute
Laune schon unschlagbar und niemand wusste, warum ich mich über das
kleine Büchlein und den Stift so freute die ich geschenkt bekam: Ein
neues estnisches Tagebuch!
Den
Höhepunkt bildete dann noch der anreisende Akkordeonspieler - plötzlich
wurde wie wild gesungen und getanzt, auch zu Liedern wie "In München
steht ein Hochbrauhäus...eins zwei suffa..." nur eben in estnischer
Sprache. Oder all die typisch estnischen Tänze, bei denen man sich an
den Händen hält, im Kreis läuft, einklatscht, den Partner wechselt...
Ich war im Paradis und brachte sogar Jaak dazu mit mir zu tanzen!
In
meiner Laune konnte mich nun nichts mehr stoppen und ich schlug vor,
mit all den Leuten selbst ein Spiel zu spielen. "Ein deutsches Spiel"
ging es nun getuschelt durch die Runde und ich wurde immer aufgeregter,
sollte ich wirklich gleich vor all diesen mir unbekannten Menschen
stehen, die eine mir unbekannte Sprache sprechen und ein Spiel anleiten?
Was, wenn sie es nicht mögen würden?
Also
leitete ich den "Gordischen Knoten" an: Man bildet einen Kreis,
schliesst die Augen und alle laufen mit nach vorne ausgestreckten Armen
zur Mitte hin. Da fässt sich jede Hand eine andere Hand und da diese
Hände meist nicht zu Leuten gehören, die unmittelbar neben einem stehen,
hat man nun einen riesigen Knoten aus Armen und Beinen und Menschen
allgemein. Den versucht man nun mit geöffneten Augen und ohne die Hände
voneinander zu lösen zu entwirren und wieder im Kreis zu stehen - durch
drüber steigen, unten durch rutschen...
Jaak
war mein Übersetzer, aber bis sie endlich verstanden, dass jede Hand
nur EINE andere Hand hält und nicht irgendwo an einem Arm festhält,
dafür brauchte es mindestens drei Versuche und eine Menge
unverständlicher Worte. Aber sie taten es und in ihrem
"alkohol-angeheiterten" Zustand, konnte sie sowieso nichts mehr
langweilen. Und ich - ich war stolz auf mich! Das erste Mal hier war ich
wirklich aus mir herausgegangen und hatte meine eigenen Grenzen
überschritten.
Danach
blieb Ebe auf der Farm, sie hatte wie all ihre Schüler nun 12 Wochen
Sommerferien zu geniessen. Joel aber ging zurück nach Tallinn um noch
weiter zu arbeiten und Karten für die Wasserwerke zu erstellen, Jaak und
ich begleiteten ihn für eine Woche, ich wollte auch das Leben dort
kennen lernen.
Die Altstadt Tallinns (Internetfoto) |
Trotz der gut
erhaltenen Natur in Estland zieht es die Menschen in die Städte -
Arbeitsmangel. Mittlerweile leben 3/4 der Menschen in den Städten und
1/3 der Gesamtbevölkerung in Tallinn. Die Innenstadt ist schön - alte
Häuschen und Pflasterstrassen, kleine Gässchen aus dem Mittelalter und
vor allem russisch-orthodoxe Kirchen.
Anders
sieht es in den äusseren Stadtvierteln aus - wie in fast jeder Stadt
gibt es sie auch hier: die hässlichen, grauen, mehrstöckigen
Betonklötze, auch als "Hochhäuser" bezeichnet, die in den Zeiten der
Sowjetunion, nach dem 2. Weltkrieg, der Einfachheit halber gebaut wurden
um in ganz Estland 200.000 russische Arbeiter schnellstmöglich
anzusiedeln - unter Zwang. Dafür wurden 100.000 Esten, die sich
wahrhaftig oder auch nur angeblich gegen das System wiedersetzten, nach
Sibirien zur Zwangsarbeit geschickt.
Gitter vor den Fenstern in den unteren Etagen - sehr wohnlich. |
Juchuh, raus zum Spielen zwischen all die grauen Häusern! |
Ein Kindergarten |
Und in genau diesem
Teil, in einem dieser grauen Betonklötze befindet sich Jaaks Wohnung.
Das Gute daran: Jaaks Eltern bekamen sie in der Sowjetunion kostenlos,
denn da es keinen Privatbesitz gab, stand auch Jedem eine Wohnung zu.
Aber ist auch das Äussere vorgegeben - wie es Innen aussieht kann man
doch selbst entscheiden und sie ist tatsächlich sehr wohnlich
eingerichtet.
Die Küche |
Der Blick aus dem Fenster |
Es
war in dieser Woche in Tallinn als ich langsam den Kontakt zu Jaaks
Vater aufbaute und aus einem freundlichen Lächeln endlich auch einmal
ein Gespräch wurde. Er ist eher von ruhigem Gemüt, spricht nur wenn er
wirklich etwas zu sagen hat und seine Englischkenntnisse sind auf einer
Skala von 1-10 nur auf Platz 0,5. Da meine Estnischkenntnisse es bisher
nicht weiter als auf Platz 0,2 oder so geschafft haben, kann man sich
vorstellen wie kompliziert die Verständigung sein kann. Nun war Jaak
öfter für ein paar Stunden oder sogar über Nacht bei Freunden und wenn
man zu zweit in einer Wohnung sitzt kann man sich entweder gekonnt
ignorieren - oder man versucht eben sich zu unterhalten! Oft waren es
nicht mehr als Einwortsätze und das Wörterbuch war ein treuer Helfer -
aber es reichte fast jeden Abend wieder für ein mehrstündiges Gespräch
und ich war überrascht, wie viel mehr Worte er doch eigentlich wusste
als am Anfang gedacht!
Mehr
noch begeisterte mich sein sichtbarer Enthusiasmus zu zeigen, dass er
mich leiden kann. Einmal brachte er einen ganzen Berg russische
Süssigkeiten mit, weil er herausgefunden hatte, wir essen gerne Süsses.
Doch wie wir alle 3 bald schmeckten - sie waren einfach ZU süss um sie
zu essen. Wir lachten darüber, er hatte es nur gut gemeint! Am nächsten
Tag brachte er deshalb Obst mit - dumm nur, dass ich zufällig am selben
Tag genau dasselbe Obst bereits vorher mitgebracht hatte und wir nun
alles in doppelten Portionen hatten... Wieder lachten wir, er hatte es
nur gut gemeint!
Der Balkon |
Und überall kleine Kioske an den Strassenecken |
Einige Tage später
ging ich das erste Mal alleine in den Shop zum einkaufen, davor war mir
nämlich ehrlich gesagt etwas Bange, mich würde ja keiner verstehen! Ich
wollte einen Kuchen backen und der Kakao reichte nicht aus. Im Shop sah
ich mich um und kaufte eine Schachtel mit einem braunen Pulver darin,
auf der Packung konnte ich nichts lesen ausser "šokolaad".
Als ich dieses Pulver zu Hause allerdings in den Kuchen mischte, sah
ich gleich: Das war irgendetwas anderes. Es war Kakao mit Zucker darin
und mein Kuchen Nummer eins war nun viel zu süss! Aber ich hatte den
Boden geteilt und wollte es wenigstens beim Zweiten richtig machen, also
ging ich noch einmal einkaufen. Diesmal wollte ich tatsächlich das
Richtige kaufen, suchte umher und kaufte schliesslich eine andere
Packung auf der "šokolaad" stand, nur herein schauen konnte ich leider nicht, die Packung war nämlich nicht durchsichtig.
Als
ich Jaak zu Hause stolz meinen neuen Fang zeigte, lachte er und sagte
es wäre wieder kein Kakao- diesmal hatte ich gleich eine fertige
Backmischung für einen Schokoladenkuchen gekauft! Also backte ich gleich
noch einen dritten Kuchen dazu und schickte Jaak ein weiteres Mal zum
einkaufen. Er kam zurück mit einer Packung auf der "Kakao" stand.
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