Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Friday, August 10, 2012


Willkommen in einem Land, in dem die bunte Natur noch Herrscher über die grauen Gebilde der Neuzeit ist, in dem die Störche ihre Nester noch auf den Dächern und Masten bauen und die Omis auf dem Land ihre Kopftücher aufsetzen bevor sie in den Wald gehen um Beeren oder Pilze zu sammeln. Ein Land, in dem sich aber auch eine Unzahl an Mücken, Zecken und noch viel grösseren "Viehbremsen" das Leben im Freien nicht nehmen lassen und mit gierigem Durst auf Jeden einstechen, der auch noch einen Tropfen Blut in seinem Körper trägt.

Gut "verpackt" als Mückenschutz geht es mit den Frauen in den Wald zum Pilze sammeln
Ein Land, gerade so gross wie Niedersachsen, in nur 5 Stunden kann man es einmal durchfahren und die Menschen beobachten, die sich in allen Richtungen ausbreiten, weil es ihnen an Platz nicht mangelt - 30 Menschen leben auf einem qkm, in Deutschland sind es 299.

Die Scheunen "unserer" Farm
Willkommen in einem Land, in welch einem Angst und Bange werde könnte vor Bären und Wölfen, die durch die grünen Wäldern streichen, aber wie der scheue Elch und der Luchs, lassen sie sich so gut wie nie in Menschennähe blicken und bevorzugen die Tiefen des Waldes - und es ist immerhin die Hälfte des Landes Wald. Ein Land, das die Freiheit des Campings liebt - auf jedem Fleckchen Erde darf man ungefragt sein Lager aufschlagen, jedes Privatgelände darf in den hellen Tagesstunden betreten werden. Und so streicht man durch die Wälder, vorbei an kleinen bewohnten Farmen mit eigenen natürlichen Teichen, mit Kartoffelfeldern und Johannisbeerhecken; pflückt auf seinem Weg kleine Walderdbeeren und -himbeeren und steckt sie sich in den Mund, erlebt einen Nervenkitzel wenn man in ein altes zerbrochenes Holzhäuschen einsteigt, bei dem die Decke bereits durchhängt oder die Wände eingestürzt sind und man sich vorstellt, in einem Heuboden allein zu übernachten; man hört den Kuckuck in den Bäumen rufen und Kinder spielen die ihre 12 Wochen Sommerferien geniessen, 12 Wochen!
 
"Unsere" Farm mit dem kleinen natürlichen Teich zum schwimmen

 Das ist Estland - mit dem höchsten Berg dessen 318 Meter man in 15 Minuten ersteigen kann und der trotz allem den Rekord hält der Höchste des Baltikums zu sein, ein Land, dass 2001 den "Eurovision Contest" gewonnen hat und noch immer im Streit mit Lettland liegt, wer von Beiden nun den Weihnachtsbaum erfand.
Ein Land, das so klein und unbekannt erscheint, und doch war es ein Este der eine der bekanntesten Internetkommunikationsmöglichkeiten der Welt erfunden hat: "Skype".


Es ist im Gesetz verankert, dass jeder Este und jede Estin ein Recht auf Internet hat und deshalb gibt es in allen bewohnten Gebieten kostenlose "Wi-Fi"- Punkte - 99 % des Landes sind dabei abgedeckt! Das ist in Europa eine einmalige Regelung und Estland verfügt aufgrund dessen über die meisten Internetanschlüsse pro Kopf weltweit. Hat man keinen eigenen Computer - geht man in Bibliotheken, in die Post oder manchmal auch in kleine Dorfläden.

Kramt man weiter, findet man noch andere interessante Erfindungen der Esten, das "Schmidt"-Telskop zum Beispiel, mit dem man Fotos des Himmels schiessen kann; oder die Sportart "kiiking", schaukeln, bei der man mit festgebundenen Händen und Füssen auf einer Schaukel steht und in 3 bis 8 Meter Höhe so lange Schwung holt, bis man Überschläge macht! Den Rekord darin, halten natürlich die Esten.

Das ist der Vorreiter der sich überschlagenden Schaukel - die landestypische Riesenchaukel! Man findet sie hier fast an jeder Ecke und bis zu 10 Leute finden darauf Platz. Schon immer juckte es den Leuten in den Fingern sich zu überschlagen - was aber ohne Sicherung gefährlich ist.
"kiiking" - mit angebundenen Händen und Füssen kann man sich im Stehen mit der Schaukel überschlagen
(Internetfoto)
 Und noch einen anderen Rekord halten die Menschen an unserer "Ostsee", die hier aufgrund der Lage "Westmeer" genannt wird: Sie sind tatsächlich Weltmeister im Trinken von Alkohol mit einem Verzehr von 16 Liter reinen Alkohols pro Person im Jahr. Deutschland liegt mit 12 Litern auf Platz 12, unerwarteterweise noch vor Russland. (Statistik der WHO)

Ob das natürlich ein Erfolg ist auf den man stolz sein kann - darüber lässt sich streiten. Vielleicht gibt es hier deshalb die 0,0 Promille - Regel, ein Alkoholverbot auf allen öffentlichen Strassen und Plätzen und eine Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h auf Landstrassen?

Betrunken oder schlafend in einem Park in Tallinn?
Genau wie bei dieser Bar legen die Esten nicht viel Wert auf grosse Werbung und Ausschilderung, ein einfaches Wort wie "Baar", "juuksur" (Friseur) oder "Kauplus" (Shopname) sagt alles
Ich habe mich mittlerweile auch ohne Trinken in diesem Land einleben können und geniesse das Leben auf dem Land, das Plumpsklo stört mich nicht und das es warmes Wasser im Haus gibt ist ein Luxus, den Jaak und sein Vater erst vor 2 Jahren eingeführt haben. Davor brachte man das Wasser zu jeder Jahreszeit vom Brunnen ins Haus und musste es zum Abwaschen erst auf dem Feuer erwärmen. Es gibt Strom, es gibt warmes Wasser, eine Dusche und ein Bett! Was will man mehr?

Mit Jaaks Mutti "Ebe" und dem Hund "Kanki"
Das die Esten zurückhaltend sind und man erst eine Weile braucht mit ihnen warm zu werden - diese Aussage meines kleinen Reiseführers konnte ich nicht bestätigen. Schon als der Vater "Joel" uns vom Bahnhof abholte war ich gerührt von seiner Umarmung und der echten Freude die er zeigte, auch mich kennen zu lernen. Das er sich darüber freut seinen Sohn endlich wieder zu sehen war mir klar, aber da ich nicht Jaaks erste Freundin bin hatte ich erwartet, die Begegnung mit mir wäre eher gleichgültig fürdie Eltern.
Und doch - ich fühlte mich von Anfang an willkommen und war gerührt "Ebe" bei ihren ersten Englischsprachversuchen zuzuhören als sie mit Tränen in den Augen Jaak umarmte und mir erklärte: "Two years not seeing!"
Jaaks Vater "Joel"
Am Anfang waren Jaaks Eltern nur "zu Besuch", um uns zu begrüssen. Dann fuhren sie zurück in die Hauptstadt Tallinn, in die Wohnung, in der auch Jaak aufgewachsen war und nur die 3 Monate Sommerferien auf der Farm in Südestland verbrachte. Damals lebten seine Grosseltern noch, es gab Tiere, Heu wurde gemacht und eine Menge Landwirtschaft betrieben. Nachdem es vor allem die beliebte Oma nicht mehr gibt (die, nebenbei gesagt, im deutschen Kriegsgefängnis festgehalten wurde und nun dauernd darüber gescherzt wird es sei gut, dass sie nicht wisse Jaak habe eine deutsche Freundin, was sie aber in der Realität gar nicht gestört hätte), seitdem sie nicht mehr lebt, ist auch ein Stück der besonderen "Magie" auf der Farm verschwunden, Menschen machen eben einen Ort.

Und von Magie kann man hier wirklich sprechen, hört man sich an welchen Job Jaaks Vater vollführt: Er arbeitet für die Wasserwerke und sucht in Estland und auch in anderen Ländern nach Wasser - mit der Wünschelrute! Zugegeben - wäre es nicht der Vater meines eigenes Freundes und hätte ich nicht die Karte gesehen mit all dem gefundenen Untergrundwasser - ich hätte selbst gezweifelt ob so etwas tatsächlich möglich ist. Eines Tages lass ich es mir persönlich zeigen, jeder kann es lernen - sagt das Internet!

Eine Wünschelrute womit Joel, Jaaks Vater, nach Wasser sucht. (Internetfoto)
Jaaks Mutti Ebe hingegen arbeitet als Geographielehrerin mit "Teenis", in derselben Schule, in die auch Jaak täglich ging - natürlich immer ein paar Meter hinter ihr laufend oder einen Umweg machend um als junger Mann auf dem Weg des Erwachsenwerdens ja nicht mit seiner eigenen Mutter gesehen zu werden.
Die Schüler haben 9 Jahre Schulpflicht und gehen auf eine Gesamtschule - nur sind die Jüngeren in einem getrennten Gebäude untergebracht. Bis zu diesem Alter bekommt auch jeder Schüler eine kostenlose warme Mahlzeit in der Mittagspause, was in den Klassen 10 - 12 (freiwilliges Gymnasium), nicht mehr der Fall ist.
Jaak und die Schule die er 12 Jahre lang besuchte, seine Mutter Ebe arbeitet noch immer als Lehrerin dort.
Einmal waren für ein paar Tage 30 Teenis hier auf der Farm! Das war gleich am Anfang unserer Zeit hier und nach einer Woche kompletter Ruhe, in der nur Jaak und ich auf der Farm gewesen waren,
dachte ich: " 30 Vierzehn- bis Sechszehnjaehrige? Wie soll das wohl werden?" Ich musste lachen, als ein Haufen geschminkter und tod-hübscher Mädels aus dem Bus stieg und ein paar Jungs ihnen aufmerksame Blicke zuwarfen - das war Ebe`s diesjährige Abschlussklasse und sie feierten hier ihre letzten Tage. Ich fand es toll, dass diese Kids sich trotz Plumpsklo und viiiiel Natur entschieden hatten aus der geschäftigen Welt Tallinns hierher zu kommen - einige von Ihnen konnten auf einer Wanderung in den nächsten Tagen das erste Mal die Erfahrung des "Barfuss-Laufens auf einem überfluteten Steg" machen und werden davon wohl noch ihren Kindern erzählen, wenn sie es auch nicht gerade als angenehm empfanden...
Ich freute mich, dass Drei von Ihnen deutsch in der Schule lernten und mich sofort offen ansprachen. Zu tiefgehenden Gesprächen kam es nicht, aber auch ein Namensaustausch reicht manchmal aus, einen internationalen Austausch zu beginnen.
 
Spass am See

  Ein anderes Mal gab es etwas zu feiern, es war Mittsommer! Die Tage 22.- 24. Juni sind in Estland fast wichtiger als Weihnachten, nach langen und kalten Wintern sind das die längsten Sonnentage, es wird so gut wie gar nicht dunkel!
Das Wetter war nicht gut, es regnete den ganzen Tag und da ich eh nichts verstehen würde, freute ich mich nicht sehr darauf abends noch zu einem allgemeinen Lagerfeuer zu gehen. Für "das ganze Dorf", was bei Farmen, die alle kilometerweit ausseinanderliegen, schon etwas besonderes ist. Aber erst grillten wir zu Hause Schaschlikspiesse und es gab ein grosses Mahl.

  

 

Als wir dann zum Fest kamen, war das Erste was ich sah, eine junge Frau die von hinten einen Schuh durch ihre Beine warf. Na sind die Esten denn verrückt? Aber bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde auch ich angestellt zum Schuhe werfen! Puh war ich aufgeregt, es war ein Wettlkampf! Aber es war alles als Spass gedacht, kein Stress also!


Der Abend wurde immer besser und mir wurde sehr bald bewusst, welch ein Glück ich hatte bei einer solch typischen estnischen Feier dabei sein zu dürfen! Da war der 40jährige Nachbar, der so viele Hobbys und Jobs hat wie Finger an den Händen und dank seiner Englischkenntnisse hatte ich einen Gesprächspartner für viele Stunden. Da waren junge Familien mit Kindern die herumtobten und mich mit staunenden Augen ansahen als ihnen jemand mitteilte, ich sei aus Deutschland.
Da waren junge Mädchen die Pfannkuchen und Schaschlikspiesse vergaben und die mütterlichen Frauen, die mich immer wieder in ihrer Sprache zu dem Stand hinschoben, damit ich auch ja nicht verhungere! Da war der weitgereiste junge Mann der "die Welt gesehen hatte", weil er mit seiner Mutter ein paar Monate in China lebte, nun strahlte sein Selbstbewusstsein  aus jeder Pore seines Körpers. Und da waren im Gegensatz die älteren Farmer, die in ihrem Leben nie viel mehr als die nächste Stadt gesehen hatten und sich aufgeregt in unsere englischen Gespräche drängten: "Welche Sprache sprecht ihr?"

Und fast keiner dieser Besucher war sich zu schade für all die witzigen Spielchen die noch folgten, selbst die 88jährige Grossmutter war ohne Probleme dabei! In Teams liefen wir zu einem Holzpflock und mussten einen Nagel reinschlagen, dabei hatte aber jeder nur einen Schlag! Dann musste man zurück laufen und der nächste war an der Reihe.
Oder wir gaben so schnell es ging ein Päckchen im Kreis herum. Derjenige, der es hatte als die Musik ausging, schied aus und musste vorher noch eine Aufgabe wie "Mache ein Huhn nach" oder "gib jemanden ein Kompliment" ausführen. Es war das einzige Spiel in dem es etwas zu gewinnen gab - und ich wurde Sieger! Zu diesem Zeitpunkt war meine gute Laune schon unschlagbar und niemand wusste, warum ich mich über das kleine Büchlein und den Stift so freute die ich geschenkt bekam: Ein neues estnisches Tagebuch!


Den Höhepunkt bildete dann noch der anreisende Akkordeonspieler - plötzlich wurde wie wild gesungen und getanzt, auch zu Liedern wie "In München steht ein Hochbrauhäus...eins zwei suffa..." nur eben in estnischer Sprache. Oder all die typisch estnischen Tänze, bei denen man sich an den Händen hält, im Kreis läuft, einklatscht, den Partner wechselt... Ich war im Paradis und brachte sogar Jaak dazu mit mir zu tanzen!

In meiner Laune konnte mich nun nichts mehr stoppen und ich schlug vor, mit all den Leuten selbst ein Spiel zu spielen. "Ein deutsches Spiel" ging es nun getuschelt durch die Runde und ich wurde immer aufgeregter, sollte ich wirklich gleich vor all diesen mir unbekannten Menschen stehen, die eine mir unbekannte Sprache sprechen und ein Spiel anleiten? Was, wenn sie es nicht mögen würden?
Also leitete ich den "Gordischen Knoten" an: Man bildet einen Kreis, schliesst die Augen und alle laufen mit nach vorne ausgestreckten Armen zur Mitte hin. Da fässt sich jede Hand eine andere Hand und da diese Hände meist nicht zu Leuten gehören, die unmittelbar neben einem stehen, hat man nun einen riesigen Knoten aus Armen und Beinen und Menschen allgemein. Den versucht man nun mit geöffneten Augen und ohne die Hände voneinander zu lösen zu entwirren und wieder im Kreis zu stehen - durch drüber steigen, unten durch rutschen...
Jaak war mein Übersetzer, aber bis sie endlich verstanden, dass jede Hand nur EINE andere Hand hält und nicht irgendwo an einem Arm festhält, dafür brauchte es mindestens drei Versuche und eine Menge unverständlicher Worte. Aber sie taten es und in ihrem "alkohol-angeheiterten" Zustand, konnte sie sowieso nichts mehr langweilen. Und ich - ich war stolz auf mich! Das erste Mal hier war ich wirklich aus mir herausgegangen und hatte meine eigenen Grenzen überschritten.


Danach blieb Ebe auf der Farm, sie hatte wie all ihre Schüler nun 12 Wochen Sommerferien zu geniessen. Joel aber ging zurück nach Tallinn um noch weiter zu arbeiten und Karten für die Wasserwerke zu erstellen, Jaak und ich begleiteten ihn für eine Woche, ich wollte auch das Leben dort kennen lernen.

Die Altstadt Tallinns (Internetfoto)
Trotz der gut erhaltenen Natur in Estland zieht es die Menschen in die Städte - Arbeitsmangel. Mittlerweile leben 3/4 der Menschen in den Städten und 1/3 der Gesamtbevölkerung in Tallinn. Die Innenstadt ist schön - alte Häuschen und Pflasterstrassen, kleine Gässchen aus dem Mittelalter und vor allem russisch-orthodoxe Kirchen.
Anders sieht es in den äusseren Stadtvierteln aus - wie in fast jeder Stadt gibt es sie auch hier: die hässlichen, grauen, mehrstöckigen Betonklötze, auch als "Hochhäuser" bezeichnet, die in den Zeiten der Sowjetunion, nach dem 2. Weltkrieg, der Einfachheit halber gebaut wurden um in ganz Estland 200.000 russische Arbeiter schnellstmöglich anzusiedeln - unter Zwang. Dafür wurden 100.000 Esten, die sich wahrhaftig oder auch nur angeblich gegen das System wiedersetzten, nach Sibirien zur Zwangsarbeit geschickt. 

Gitter vor den Fenstern in den unteren Etagen - sehr wohnlich.
  
 
Juchuh, raus zum Spielen zwischen all die grauen Häusern!
Ein Kindergarten
Und in genau diesem Teil, in einem dieser grauen Betonklötze befindet sich Jaaks Wohnung. Das Gute daran: Jaaks Eltern bekamen sie in der Sowjetunion kostenlos, denn da es keinen Privatbesitz gab, stand auch Jedem eine Wohnung zu. Aber ist auch das Äussere vorgegeben - wie es Innen aussieht kann man doch selbst entscheiden und sie ist tatsächlich sehr wohnlich eingerichtet.

Die Küche
Der Blick aus dem Fenster
Es war in dieser Woche in Tallinn als ich langsam den Kontakt zu Jaaks Vater aufbaute und aus einem freundlichen Lächeln endlich auch einmal ein Gespräch wurde. Er ist eher von ruhigem Gemüt, spricht nur wenn er wirklich etwas zu sagen hat und seine Englischkenntnisse sind auf einer Skala von 1-10 nur auf Platz 0,5. Da meine Estnischkenntnisse es bisher nicht weiter als auf Platz 0,2 oder so geschafft haben, kann man sich vorstellen wie kompliziert die Verständigung sein kann. Nun war Jaak öfter für ein paar Stunden oder sogar über Nacht bei Freunden und wenn man zu zweit in einer Wohnung sitzt kann man sich entweder gekonnt ignorieren - oder man versucht eben sich zu unterhalten! Oft waren es nicht mehr als Einwortsätze und das Wörterbuch war ein treuer Helfer - aber es reichte fast jeden Abend wieder für ein mehrstündiges Gespräch und ich war überrascht, wie viel mehr Worte er doch eigentlich wusste als am Anfang gedacht!
Mehr noch begeisterte mich sein sichtbarer Enthusiasmus zu zeigen, dass er mich leiden kann. Einmal brachte er einen ganzen Berg russische Süssigkeiten mit, weil er herausgefunden hatte, wir essen gerne Süsses. Doch wie wir alle 3 bald schmeckten - sie waren einfach ZU süss um sie zu essen. Wir lachten darüber, er hatte es nur gut gemeint! Am nächsten Tag brachte er deshalb Obst mit - dumm nur, dass ich zufällig am selben Tag genau dasselbe Obst bereits vorher mitgebracht hatte und wir nun alles in doppelten Portionen hatten... Wieder lachten wir, er hatte es nur gut gemeint!


Der Balkon
Und überall kleine Kioske an den Strassenecken
Einige Tage später ging ich das erste Mal alleine in den Shop zum einkaufen, davor war mir nämlich ehrlich gesagt etwas Bange, mich würde ja keiner verstehen! Ich wollte einen Kuchen backen und der Kakao reichte nicht aus. Im Shop sah ich mich um und kaufte eine Schachtel mit einem braunen Pulver darin, auf der Packung konnte ich nichts lesen ausser "šokolaad". Als ich dieses Pulver zu Hause allerdings in den Kuchen mischte, sah ich gleich: Das war irgendetwas anderes. Es war Kakao mit Zucker darin und mein Kuchen Nummer eins war nun viel zu süss! Aber ich hatte den Boden geteilt und wollte es wenigstens beim Zweiten richtig machen, also ging ich noch einmal einkaufen. Diesmal wollte ich tatsächlich das Richtige kaufen, suchte umher und kaufte schliesslich eine andere Packung auf der "šokolaad" stand, nur herein schauen konnte ich leider nicht, die Packung war nämlich nicht durchsichtig.
Als ich Jaak zu Hause stolz meinen neuen Fang zeigte, lachte er und sagte es wäre wieder kein Kakao- diesmal hatte ich gleich eine fertige Backmischung für einen Schokoladenkuchen gekauft! Also backte ich gleich noch einen dritten Kuchen dazu und schickte Jaak ein weiteres Mal zum einkaufen. Er kam zurück mit einer Packung auf der "Kakao" stand.


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