Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Thursday, August 30, 2012

Kanutour Teil 2 - Das alte Haus

Weiter schipperten wir also in unserem kleinen, grünen Kanu, immer flussabwärts.
Und als es Abend wurde, sahen wir auf einmal dieses alte, graue Gebäude am Ufer stehen. Die Fenster schienen uns als schwarze Löcher ohne jegliches Leben anzustarren, denn das war wohl schon vor einer ganzen Weile aus ihnen gewichen und hatte sich in eine drückende Ruhe gewandelt, in der einem die Stimme versagt und man sich automatisch nur noch zuflüstern kann, wenn man es sieht. 

Eine alte Mühle
 
 
"Hier zelten wir nicht" beschlossen wir leise, aber bestimmend, irgendwie hatte dieser Platz eine gewisse Gruseligkeit an sich. Doch dann, nur wenige Meter weiter, sahen wir auf einmal ein weiteres einsames Haus inmitten des hüfthohen Grases hervorragen. Es war sehr viel grösser als das Erste und mit all seinen vornehmen Schörkeln und Verziehrungen, musste es wohl der Landsitz einer wohlhabenden Familie gewesen sein. Schon lange, lange wurde das Grundstück scheinbar nicht mehr gepflegt.



Nun konnte uns doch nichts mehr halten. Obwohl wir wussten es würde bald dunkel werden und wir hatten noch einen Schlafplatz zu finden, versteckten wir das Kanu so gut es ging zwischen dem Schilf und machten uns auf, die Gegend zu erkunden. Erst liefen wir nur aussen herum und bestaunten die Grösse des Gebäudes. Doch dann wollten wir mehr, wir wollten auch das Innere sehen! An der Tür hing ein dickes Schloss und ein Fenster einzuschlagen oder etwas zu zerstören, kam natürlich nicht in Frage.
Doch dann fiel mir ein eingeschlagenes Fenster weiter oben auf und Jaak konnte nicht an sich halten und versuchte sein Glück! Mit Hilfe eines dünnen Baumes kletterte er auf einen Sims, der etwas über unseren Köpfen lag. Nur wenige cm war dieser breit und Stück für Stück musste er balancieren, sein einziger Halt die herausstehenden Fensterbänke.


Und dann schaffte er es tatsächlich auch noch vom Sims auf die Fensterbank, kletterte durch das Fenster hinein und weg war er, verschwunden aus meinen Augen. Den Versuch auf den Sims zu kletterten um es ihm nach zu tun gab ich sehr schnell wieder auf, Jaak wollte von innen einen Möglichkeit finden, dass auch ich hinein könnte. 


Für die nächsten 5 Minuten war Ruhe und ich hoffte, dass alles in Ordnung war. Ein altes, verschlossenes Haus in welches ein paar Jugendliche einbrechen.... Sieht man nicht genau das immer in Horrorfilmen?
Nun ja, ich wusste ja nicht was sich hinter diesen Wänden verbarg.
Als ich dann Jaaks ersticktes Rufen hörte, dauerte es eine Weile bevor ich einordnen konnte, woher es kam.
Dann erst sah ich seine Silhouette hinter einem der Kellerfenster, welches sich kurz über dem Boden befand. Auf Knien konnte ich ihm nun direkt in die Augen schauen, aber doch trennte uns noch etwas voneinander - die Glasscheibe. Das Fenster war gerade so weit aufgegangen, dass ich mein Taschenmesser hindurch geben konnte. Nur zwei Schrauben verhinderten das Öffnen! Eine konnte er hinausdrehen, aber die Andere hielt rostig an ihrem Stammplatz fest und nach etlichen, langen Minuten, hatte sie sich noch immer keinen Millimeter bewegt. Erst dann teilte Jaak mir mit aufgeregt, heiserer Stimme mit, dass er nicht mehr auf demselben Weg herausgehen könnte, auf dem er herein gekommen war. Denn er hatte sich erstens durch ein winziges Loch gezwungen und zweitens war er dabei einen Absatz herunter gesprungen, den er ohne Hilfsmittel unmöglich wieder erklettern konnte. 



Na super. Jetzt war mein Freund also in einem alten Gruselhaus gefangen.
Er suchte den dunklen Keller nach einem Ausweg ab, fiel dabei ohne etwas zu sehen in ein knietiefes Loch und fing sich einigen Dreck ein, fand aber auch in den angrenzenden Räumen keine Möglichkeit aus dem Haus herauszukommen und machte sich schliesslich wieder auf und davon, er würde die oberen Etagen erkunden.


Durch dieses Loch hatte sich Jaak gepresst nachdem er durch´s Fenster hinein geklettert war, trotz fehlendem Rückweg sprang er in den Raum hinab.
Wartend stand ich vor dem Haus, Minuten über Minuten vergingen und langsam wurde ich doch etwas nervös. Alles war gut wenn die Sonne schien, aber würde ersteinmal die dunkle Nacht einbrechen und er wäre noch immer dort drinnen...
Dann tauchte er eine Etage höher wieder auf und rüttelte an der Eingangstür. Sie war mit mächtigen Balken verschlossen. Vor die Fenster waren von innen Holzplatten geschraubt und es war unmöglich sie zu lösen.
Dann verschwand er wieder. Er würde in den oberen Etagen weitersuchen und weil diese Räume zu hoch lagen um ihn von aussen am Fenster gelegentlich zu besuchen, konnte ich nun gar kein Lebenszeichen mehr von ihm erwarten.


Irgendwann konnte ich nicht mehr warten und unnütz herum stehen. Bisher hatte ich nur die linke Seite des Hauses nach einer möglichen Einstiegsmöglichkeit abgesucht, da auf der rechten Seite ein Tor hinter dem Haus hervorlugte, dass zu einem Wohnhaus gehören könnte und ich wollte natürlich nicht gesehen werden.
Aber nun war alle Vorsicht vergessen. Mein Freund war dort eingesperrt!
Nach und nach suchte ich jedes Fenster ab und wurde sehr schnell fündig: Es waren Fenster mit Doppelscheiben und an einem fehlte bereits die äussere Scheibe komplett. Bei näherem Hinschauen stand die Innere allerdings nur lose auf dem Rahmen, scheinbar kam hier öfter jemand her und es war einfach, sie herauszunehmen und in dem kleinen Zwischenraum der beiden Scheiben nieder zu stellen. Nichts stand dem Weg nach drinnen (oder in Jaaks Fall nach draussen) noch im Wege! Selbst ein Schrank befand sich dort, auf den man steigen konnte um in das Zimmer hinab zu klettern.


Das Problem: Jaak wusste nicht, dass sein Ausweg hier war.
Er war irgendwo, verloren in diesem riesigen Haus und meine leisen Schreie konnten ihn nicht erreichen, noch eher würden sie die neugieren Nachbarn herbeirufen.
Ich hatte keine Wahl. Also biss ich die Zähne zusammen und fluchte leise, kletterte dabei in das Haus hinein und rief immer wieder Jaaks Namen, was natürlich unbeantwortet blieb, da er sich ja in den oberen Etagen befand.
Glücklicherweise beleuchtete das Sonnenlicht, dass durch das Fenster hinein fiel, den gesamten nun vor mir liegenden Gang. Links machte ich einen Raum mit Glasscheiben auf einem Tisch aus. Die beleuchteten Räume auf der rechten Seite waren voll von Dreck und Staub, ansonsten aber leer. Kein Weg in die obere Etage.
Da musste ich also doch noch in die dunklen Räume auf der linken Seite und die Taschenlampe - die hatte ich natürlich im Kanu liegen gelassen! Alles was ich hatte war meine Kamera und das machte die ganze Angelegenheit irgendwie noch gruseliger: Ohne zu wissen was mich erwartete ging ich in einen Raum und drückte den Auslöser, jemand hätte direkt vor mir stehen können und ich hätte ihn erst hinterher auf dem Foto gesehen! Heraus kam so etwas:



Zum zweiten Mal auf meiner Reise beschloss ich, mir nie wieder einen Gruselfilm anzuschauen (was ich eigentlich sowieso nie mache). Ohne diese Filme wüsste ich ja gar nicht, dass in der Dunkelheit etwas sein kann, dass mich gruseln könnte.
Aber schliesslich fand ich einen weiteren Gang und Stufen hinauf, und auf einmal, als ich herauskam aus dem dunklen Keller und in die mit Sonnenlicht beleuchteten grossen Räume trat, da war der ganze Grusel verflogen. Vor mir lagen nur noch eine Unmenge an Zimmern, von deren Wänden zwar die Farbe blätterte, aber ansonsten waren sie so unschuldig und auch langweilig, wie eben ein leerstehender Raum sein kann.



Jaak fand ich allerdings nicht.
Die ganzen fünf oder sechs Stockwerke lief ich entlang, schaute in jeden Raum und rief in einem Fort seinen Namen. Keine Antwort. Das war dann doch etwas merkwürdig, musste er nicht hier sein?
Erst als ich zu einer verschlossenen Aussentür kam hörte ich ihn von draussen antworten: "Babsiiii?"
Super, da hatte er nach draussen gewollt und jetzt war er draussen, aber jetzt war ich drinne!
Schliesslich hatte er nämlich einen Tisch gefunden und ihn vor sein Einstiegsloch geschoben, auf ihn konnte er steigen und kletterte so denselben Weg ins Freie zurück, den er auch hinein gekommen war.
Ich versuchte ihm den Weg zu meinem Einstiegsfenster zu erklären, aber meine Konzentration war bereits ziemlich am Ende und heraus kam nur ein verwirrendes Geplänkel. Also wollte ich ihm entgegen kommen, aber auf einmal fand ich den Weg nach draussen nicht mehr! Ich lief in jedes Zimmer und jeden Gang und wurde langsam etwas panisch, ich hatte doch nicht einmal hier herein gewollt und nun steckte ich für immer hier fest!
Als ich den Gang nach unten schliesslich fand, war ich vollkommen perplex und wusste weder rechts noch links, ich lief einfach in die Dunkelheit hinein und war ungemein ehrleichtert, als Jaak mir bereits entgegen kam.

Nun waren wir Beide wieder etwas ruhiger und gingen noch einmal hinauf um uns alles anzuschauen. Es war eine alte Schule, genaugenommen ein Internat, welches wohl erst gegen 2008 geschlossen worden war. Wir fanden gemalte Bilder in einem Schrank mit Namen darauf und eine Tafel, auf der sich schon manch Einer verewigt hatte. Wir malten unser Bild dazu.


Dann stiegen wir denselben Weg hinaus, den wir auch hinein gestiegen waren.



Und nachdem sich dieses erst so gruselig erscheinende, alte Haus nur als eine alte Schule voller Licht und Weite herausgestellt hatte, hatten wir unsere Angst komplett verloren und zelteten für eine Nacht auf der grossen, grünen Wiese davor.

Der "Garten" vor dem Haus, mit einem Teich und einem Steg auf dem 2 Stühle stehen


Thursday, August 23, 2012

Kanutour 1: Von einer verwirrenden Seefahrt - zum Paddeln mitten durch die Kleinstadt


Juchu, unsere Kanutour stand bevor! 
Zugegeben, so cool wie ein Floostrip ist es vielleicht nicht, aber wir hatten vor, gleich ein paar Monate auf dem Wasser zu bleiben, würden in Gebiete fahren, in die man ohne ein Boot gar nicht gelangen könnte, würden für Tage und Wochen unser Zelt irgendwo aufschlagen, würden Feuer machen zum kochen, Wanderungen im tiefesten Matsch unternehmen und Tiere sehen die sich sonst versteckt halten - na wenn das mal keine Abenteuer versprach!


Jaaks Schwester Jana nahm uns mit nach "Elva", ein kleiner Ort, ca. eine Stunde von hier, in der unser Kanu gebaut wurde. Für unser neues Böötchen ging es also gleich von der Produktionshalle ins Wasser zur Jungfernfahrt!
Schon von weitem sah man seinen grünen Po aus dem Kleintransporter ragen, für den es sichtbar zu gross war, doch der Fahrer liess sich nicht beirren und während er uns begeistert von einem lilla Kanu erzählte welches jemand bestellt hatte, fuhr er es uns zu einer geeigneten Stelle um zu starten. 
Mit zwei winzigen Problemchen wurden wir hier konfrontiert: Erstens schien das Kanu auf den Bildern vorher grösser als es nun in Realität war - und zweitens hatten die Männer beim Bauen ausversehen vergessen diese kleine, aber doch wichtige Klappe vorne einzubauen in der man wenigstens ein paar Sachen vor dem sicheren Nasswerden schützen kann.


Mit ordentlich Tieflage und Platzmangel ging es also los und wir mussten schon nach wenigen Metern alles wieder auspacken und das Kanu über Land ziehen. Schuld war eine Mühle, die uns den Wasserweg versperrte.
Eine Angel hatten wir nicht dabei, wollten aber in den nächsten Tagen eine "Fischfalle" bauen um unseren wohl dürftigen Speiseplan zu verschönern. Als wir nun ruhig auf dem Wasser herum plätscherten sagte Jaak plötzlich, er hätte etwas orangenes unter der Wasseroberfläche gesehen. Wir fuhren zurück und mit einiger Mühe zog Jaak eine Angelschnur aus dem Wasser die sich in den Seerosen verfangen hatte, schon bald wurde klar: daran muss sich, nach dem Gewicht zu urteilen, ein echt grosser Fisch verfangen haben! Und richtig, zappelnd hing er dort und wir konnten unser Glück kaum fassen, so ohne grosse Mühe eine Abendmahlzeit geschenkt zu bekommen. Noch an Ort und Stelle nahmen wir ihn aus und kochten ihn abends im extra mitgebrachten "gusseisernen Ofen-Topf", na ein bisschen Luxus muss doch sein!


Trotz Nieselregen war ich plötzlich unglaulich entspannt. Da wir mit der Strömung fuhren, liess ich das Paddeln einfach sein, legte mich auf das Gepäck und genoss die wohl schönsten 15 Minuten unserer Kanutour. Direkt an der Grenze zur Traumwelt holte mich eine Stimme ein die ganz realistisch erschien, nach ein paar Sekunden konnte ich sie Jaak zuordnen und da eine gewisse Intensität in seinem "Babsi"- Ruf lag, drehte ich mich schleunigst um.

Und da hatten wir den Beweis, dass es die richtige Entscheidung gewesen war KEIN Floss zu bauen, denn sonst hätte unser Trip bereits hier, nach 2 Stunden Fahrt geendet. Vor uns lagen drei Wasserfälle, nicht etwa riesige, rauschende Wasserfälle, eher in der Grösse, in der sie sich über einen lustig machen und sagen: "Haha, du KÖNNTEST es zwar schaffen uns hinunter zu fahren, aber zu einer Wahrscheinlichkeit von 87,329 Prozent wirst du dabei ins Wasser fallen und auch wenn das Gepäck nicht wegschwimmen oder untergehen kann, weil es schlauerweise mit einem Seil ans Kanu gebunden ist, es wird aber doch triefend nass sein und das würde dann das erste nasse Abenteuer im nassen Nieselregen bedeuten. Wobei wir wieder beim Thema der vergessenen "Wasser-kann-nicht-hereinkommen-Klappe" wären...."

Wir entschieden uns gegen dieses Abenteuer, zumal Wasserfall eins und zwei viel zu steinig waren um das Boot unbeschadet zu lassen und Wasserfall drei sowieso irgendwo unter einer Mühle endete, wo wir dann vielleicht im Dunkeln wochenlang stecken bleiben würden... 
Das bedeutete aber wieder einmal alles aus dem Boot zu laden und viel zu schwere Taschen, sowie das Kanu, einzeln über Land zu tragen.


Am Abend fanden wir einen sehr schönen Platz, wie ich fand - wie gemütlich die kleine Hütte aussah, die extra für Wasserreissende dort gebaut worden war! Niemals hätte ich da in einem Zelt daneben schlafen wollen! Das die Mücken freie Bahn hätten, da wir ohne Zelt auch kein Fliegengitter hätten, das tat ich mit einem Handwinken ab. Würde schon nicht so schlimm sein! 
War es aber. Und noch viel schlimmer. Im Schlafsack versteckt lagen wir, dünne Wolldecken auf unseren Gesichtern und trotzdem stachen sie ohne Gnade hindurch, fanden jede winzige Ecke freie Haut die versehentlich hervorlugte und traute man sich doch einmal unter der Decke hinweg zu schielen - da gab es nicht viel mehr zu sehen als eine schwarze Wand, eine schwarze Wand aus fröhlich und in verschiedenen Tonlagen summende Mücken. Neben dem "Lärm" war es durch die Decke auf dem Kopf auch noch so warm, dass mir tatsächlich der Schweiss in Strömen lief und der Sauerstoff immer wieder knapp wurde, bis ich es nicht mehr aushielt und mitten in der Nacht einen kleinen Spaziergang machte. Nicht auszuhalten!

Die kleine, gemütliche Unterkunft

Das nennt man Mückenfest angezogen!
Am nächsten Tag befanden wir uns noch immer auf demselben Fluss und ich mochte ihn von allen Flüssen und Seen die wir befuhren am meisten. Alle paar Meter mussten wir uns nämlich wieder einen Weg bahnen, da ein umgefallener Baum den Weg versperrte, meist ging es gerade noch so an der rechten oder linken Seite vorbei. Doch immer wieder geschah es, dass man zunächst keinen Durchbruch sah. Dann nahmen wir ordentlich Schwung und mit einem Kratzen an der Unterseite des Bootes schafften wir es über einen im Wasser liegenden Ast; wir probierten es rückwärts, seitwärts, vorwärts, lenkten mittendrin so schnell es eben geht um die Ecke und irgendwann ging es immer weiter. Auch, als wir einmal sogar unsere extra mitgebrachte Säge auspacken mussten, um dem Baum im Wasser damit zu Leibe zu rücken, fanden wir einen Ausweg.


Dann kamen wir zu unserem ersten See.


Aber die Freude darüber liess bald nach, wir suchten den richtigen Ausweg! Eine Karte von dieser Gegend hatten wir nicht, an unserer letzten Schlafstätte war eine gewesen und Jaak hatte sich "hinten rechts" gemerkt. Darauf hielten wir nun zu, sehen kann man ja nicht viel auf eine solche Entfernung. Doch mitten auf unserem Weg, fiel mir plötzlich eine Einbuchtung auf der linken Seite auf. Und da es scheinbar nicht viel zu sehen gab "hinten rechts", sparten wir uns die letzen Meter, fuhren wieder zurück und kamen tatsächlich durch diese Einbuchtung auf einen anden See! Aber eigentlich wollten wir ja auf einen Fluss... Da schien einer zu sein! Ein Stück weiter fuhren wir und ich hatte den wohl aufregendsten Toilettengang meines Lebens, als ich auf einem kleinen Fetzen Festland inmitten des Sees ausstieg, welcher zusätzlich ein Biberdamm war, und jeder Schritt auf scheinbar festes Land auch sehr schnell in einem Bad inmitten von Schlingpflanzen enden könnte. Aber ich hatte es einfach nicht mehr aushalten können!


Als wir ein Stück weiter in dieselbe Richtung gefahren waren, wurde uns wieder die Aussage "hinten rechts" bewusst und das wir ja links gefahren waren... Wir beschlossen einen weiteren Umweg in Kauf zu nehmen, fuhren wieder zurück und fragten sicherheitshalber einen alten Fischer um Rat, der in seinem kleinen Holzboot sass und die Angel ins Wasser hielt. Es war gut so! Nicht nur, dass er wohl der erste "Ausländer" war den ich je traf und der schon mal in "Erfurt" gewesen war, er rief auch extra seinen Freund an um ihn nach der Richtung zu fragen, denn er selbst war auch nur Besucher hier.
Seine Aussage: "Hinten rechts" wäre richtig gewesen...
Also fuhren wir den ganzen Weg wieder zurück und durchquerten den See ein weiteres Mal. Aber da war einfach nichts zu sehen... Wieder war ich es, die einen möglichen Fluss fand (man weiss ja nie ob sie gleich hinter der nächsten Kurve enden). Aber wieder war es falsch, da war nur eine Anlegestelle für Boote und weil wir mittlerweile so genervt waren und die Sonne mit voller Kraft auf unsere Köpfe schien, machten wir hier ersteinmal Pause.
 

Als wir uns eine Stunde später wieder auf die Suche nach dem richtigen Weg begaben, hatte sich an unserem Glück nichts geändert. Hin und her fuhren wir. Da war eine Reihe von leeren Plastikflaschen die als Bojen angebracht waren und dahinter sollte der Fluss hinein gehen, aber da war nichts. Also fuhren wir einfach irgendwo hinein, jede Stelle wo sich ein paar weniger Seerosen und nicht ganz so viel Schilf befand wurde von uns abgefahren und immer wieder steckten wir fest und mussten ordentlich Kraft aufwenden, durch all dieses Gestrüpp hindurch zu kommen. Dann waren wir so genervt, hatten solch eine schlechte Laune - das ich schon wieder darüber lachen musste. Aber selbst das konnte Jaak nicht mehr aufheitern, wir würden wohl für immer hier feststecken,  immerhin hatten wir ja genug Wasser zum trinken... So taten wir einfach für eine Weile nichts mehr und grummelten.


Und erst als wir dann wieder die Ruder in die Hand nahmen um von vorne zu beginnen und "hinten rechts" weiter zu suchen - da war da plötzlich ein Weg, der vorher ganz gewiss nicht da gewesen war! Und wir fuhren und fuhren, neben uns kein Ufer sondern Schilf, aber nach vielen, vielen Minuten konnten wir endlich sicher sein: Das war der Fluss den wir gesucht hatten!
Und unsere zweite Nacht verbrachten wir nicht weit entfernt von "Tartu", die zweitgrösste Stadt in Estland, in der wir ein paar Tage verbringen wollten.

Zähne putzen

 Eine Menge Gegenwind liess uns am nächsten Tag, für den eigentlichen kurzen Weg nach Tartu, viele Stunden länger brauchen und wir erreichten erst gegen Nachmittag erschöpft und relativ schlecht gelaunt unser Ziel. Wir würden bei Jaaks Halbbruder für die Tage unterkommen, aber mussten ja irgendwo das Kanu lassen! Also hielten wir irgendwo an der Seite des Flusses und fragten an einem recht alternativ aussehendem Haus nach, die Frau erlaubte uns das Kanu vor ihrem Haus zu parken.


Die kleine Holzsauna

Ein Boot - es stand einfach so in ihrem Garten, an der Seite des Flusses und machte einen unglaublich beeindruckendes Bild! Abenteuerlich, wenn man so etwas gleich vor der Tür hat...
Die 3 Tage in Tartu verbrachten wir in einer Wohnung am Rande der Stadt, dort wohnt Jaaks Halbbruder mit seiner schwangeren Frau und den zwei Kids, die ich schon sehr kurz in der Farm kennen gelernt hatte. Beide arbeiten im Krankenhaus als Krankenschwester und - pfleger und zwar dort, wo der Stress wohl am grössten ist: Er fährt im Krankenwagen mit und übergibt die Patienten dann zu ihr und den Kollegen in die Notaufnahme. Ebenfalls ist er Teil einer Hilfsorganisation und als 2010 das grosse Erdbeben in Haiti war, da war er für 3 Monate dort und half im Krankenhaus aus.
Das beeindruckt mich sehr muss ich zugeben. Niemand von uns kann sich ein Bild davon malen welche Zustände dort herrschten, wir haben es auf dem Sofa sitzend im Fernsehen angeschaut und dabei Schokolade vernascht, unsere geschockten Ausrufe und vielleicht auch düsteren Gedanken, haben nichts an der Situation geändert oder sie verbessert. Aber da sind doch Menschen die etwas ausgerichtet haben! Niemand könnte die ganze Welt retten, aber schon ein verbundener Fuss und ein paar liebe Worte können wohl in einer solch abstrakten Situation Leben retten oder zumindest ein Stück Lebensfreude und Hoffnung geben...

Ein Mitbringsel aus Haiti
Die Kinder der Beiden sind 10 und 6 Jahre alt.
Einmal passten wir für ein paar Stunden auf sie auf. Das wir nicht die gleiche Sprache sprechen, verstand der 6jährige schwer. "Ma ei rägi esti keelt" - "Ich spreche kein Estnisch" sagte ich in einem fort, nur, um zur Antwort einen estnischen Redeschwall zu erhalten, mit einer Frage am Ende, auf die ich nur noch einmal dasselbe antworten konnte.
Das Mädel ragierte ganz anders - kurz und knapp begann sie mich herum zu kommantieren. "Babsi!" rief sie bestimmend und winkte mit der Hand in die Richtung, in die ich anzutreten hatte. In einem Feld hatte jedes Kind sein eigenes kleines Häuschen gebaut und nun sollte auch ich eines bekommen. Also fingen sie an die schönen grossen Blumen einzeln heraus zu reissen und das Mädel lud mich immer wieder mit ihrer Handbewegung ein mitzumachen, zeigte wie es geht. Aber ich wollte doch nicht, ich fand die Blumen doch schön! Das deutlich zu machen war mir unmöglich und schliesslich stand ich einfach nur daneben, bis sie mir mein "Haus" gebaut hatten, mit einem sehr schönen Torbogen aus zusammen gewickelten Blumen (glücklich, die durften leben!) und einer Toilette links, bei der ich ausgelacht wurde, als ich ausversehen meine Hand hinein hielt um mich abzustützen.
Dann kam Jaak und durfte freundlicherweise mit in meinem Haus wohnen. Mit einem schüchternen Kindergetuschel wurden wir gefragt, wann wir denn "geheiratet hätten" und die Antwort ging in einem kindlichen Kichern unter. Das war noch bevor er "Urr" spielen sollte. "Urr" ist nämlich derjenige, der mit einem lauten Schrei die Kinder erschreckt und sie versucht zu fangen. Wieder etwas gelernt.



 Die allabendlichen Fussballspiele genoss ich überraschenderweise ungemein! Ich konnte mich nicht einmal erinnern, wann ich das letzte Mal über einen Bolzplatz gerannt war und die Luft ging mir schnell aus. Aber meine beginnenden Zweifel, dass alle kleinen Jungs ja viel besser spielen als ich, konnte ich nach Jaaks Lob schnell beiseite schieben und hatte eine neues, kleines Hobby.



 Hauptsächlich verbrachten wir die Tage mit umherlaufen und Eis essen. Kilometerweit liefen wir, bis wir auch jede kleine Ecke der Stadt gesehen hatten! Denn Jaak hatte selbst 2 Jahre hier gewohnt und arbeitete als Feuerwehrmann. Auch wenn er seine Arbeit nicht wirklich genoss, die Stadt mag er doch viel lieber als Tallinn, weil sie einfach kleiner ist und gemütlich, viele Studenten und junge Leute beherbergt und weil hier noch viele alte Holzhäuschen zu finden sind.



 
 Im ersten Haus in dem Jaak hier damals lebte, wohnte er für ca. 80 Euro im Monat ohne eine Dusche, waschen musste er sich unter dem Wasserhahn im Spülbecken. Die Toilette ist ein Gemeinschaftsplumpsklo für die Wohnungen derselben Etage und befindet sich auf dem Flur. Das interessanteste daran: Wir besuchten das Haus und es hat sich bis heute nichts geändert, und das mitten in der Stadt!

Jaaks erste Wohnung in einem Haus mit Plumpsklo auf jeder Etage und ohne Dusche
 

 Auf einem unserer Stadtspaziergänge sahen wir eine Frau mittleren Alters auf dem Fussweg liegen.
Ihre Hose war heruntergerutscht, so, dass der Po unbedeckt war und bei näherem Hinschauen fiel auf, dass sie sich ebenfalls erbrochen und in die Hosen gemacht hatte. Ausserdem hatte sie Schwangerschaftsstreifen und scheinbar vor einer Weile ein Kind geboren.
War sie nun einfach nur betrunken? Jaak rüttelte an ihr und rief laut, aber sie liess sich nicht wecken. Ein vorbeikommender Mann nuschelte etwas von epilleptischen Anfällen und sicherheitshalber riefen wir die 110 an, kurz später kamen sie mit dröhnenden Sirenen angefahren und mit dabei war zufällig Jaaks Ex-Kamerad der Feuerwehr. Einmal kurz an der Schulter gerüttelt - und siehe da, sie wachte einfach auf! Betrunken war sie, mehr nicht und wankend stolperte sie davon, natürlich noch immer mit heruntergelassenen Hosen und nicht ohne uns eine Salve aus Schimpfwörtern zuzufeuern weil wir es gewagt hatten, sie von ihrem "gemütlichen" Bett auf zu scheuchen.

Traditionsbier. Nach der vorangegangenen Geschichte denkt man allerdings über das Trinken noch einmal nach...

Sehr typisch für Estland sind die Märkte überall, auf denen man jegliches Essen frisch bekommen kann. (Fleisch, Fisch, Obst, Milch...)
Und dann hiess es weiterreisen - mitten durch die Altstadt von Tartu paddelten wir! Das hatte sich Jaak schon seit Jahren gewünscht und insgeheim hofften wir Beide, dass der nächste Teil unserer Reise etwas besser werden würde als der Erste. In den Traumvorstellungen hatte alles ziemlich gut ausgesehen, aber bisher war es doch hauptsächlich stressig gewesen, vor allem auch deshalb, weil wir jeden Abend all unser Zeug aus dem Kanu laden mussten um unser Lager aufzuschlagen und jeden Morgen mussten wir es wieder einpacken. Das würde sich ändern, wenn wir etwas länger an einem Ort bleiben würden und ausserdem liessen wir nun einen ganzen Berg unbenutztes Zeug bei Jaaks Halbbruder in Tartu zurück!


Mitten durch die Stadt geht es hinaus aus Tartu

Wednesday, August 15, 2012

Museum Tallinn
Zum Abschluss gingen wir noch in ein wirklich schönes Museum! Anstatt in einem einzigen Raum zu sein, lief man durch einen ganzen Wald und kam immer wieder zu Häusern, die in den verschiedensten Jahren in Estland gebaut wurden und in denen die Menschen gelebt hatten.

Ein Babybett


  Gleich am Eingang hatte sich eine Gruppe versammelt die, in landestypischer Kleidung, für die Touristen traditionell estnische Tänze tanzte. Und ich erkannte die Tänze wieder! 
Auf unserer Mittsommerfeier hatten wir dazu gesungen und die Hüften geschwungen, ich freute mich ein weiteres Mal darüber. Ich mag es nämlich lieber etwas von altgebackenen Esten im Alltag zu sehen, als "gestellt" in einem Museum. Ich mag es wirklich einfach lieber, auch wenn es im Enddeffekt doch derselbe Tanz ist...


Schweinchen

In einer alten Fischerhütte trafen wir auf eine alte Frau und sie gab uns getrockneten Fisch zum probieren. Er schmeckte salzig und etwas zäh, man musste ihn quasi mit den Zähnen auseinanderreissen. Naja, ich weiss ja nicht ob ich den auf meine Menüliste zu Hause setzen werde...



Nach einer Woche ging es schliesslich wieder zurück auf die Farm, vom Norden in den Süden Estlands. Zurück auch, zu einer der wohl wichtigsten Erfindungen der Esten: die Sauna! Vor allem in langen, kalten, depressiven Wintern ist sie ein angenehmer Aufenthaltsort, aber auch im Sommer ist es schön täglich eine Weile dort zu verbringen.

Die alte Sauna
Schon lange bevor ich in dieses Land kam wusste ich, wie wichtig dieses Gebäude den Menschen hier ist. So wichtig, das Jaaks Vater schon mit dem Bau einer neuen Sauna begonnen hatte, als Jaak und Ich noch am reisen waren. So ein grosses Gebäude nur für eine Sauna? Ich konnte die Begeisterung ehrlich nicht nachvollziehen, war ich doch noch nie ein Fan dieser drückenden Hitze gewesen. Ich hatte es allerdings auch nicht wirklich oft ausprobiert.

Der Bau der neuen Sauna
Die eigentliche Sauna ist bereits fertig gebaut, nur aus dem oberen Dachzimmer soll noch ein Schlafraum werden. In der unteren Etage befindet sich ein Aufenthaltsraum, ein Platz zum Feuer machen, ein Raum mit Holzdielen und einer Dusche, die nur durch das Feuer warm wird, und der eigentliche Saunaraum.
 Es dauert ungefähr 2 Stunden bis das Feuer eine runde Mauer aus kleineren Steinen in diesem Raum erwärmt hat. Während man auf den Holzbänken die Wärme geniesst, wirft man mit einer Kelle immer wieder heisses Wasser auf die heissen Steine und bringt so ordentlich Dampf in die Bude.

Ein weiterer Brauch ist es, sich mit Birkenzweigen zu schlagen. Als ich davon das erste Mal hörte, wollte ich es kaum glauben, aber es stimmt! Sie werden in Büscheln zusammengebunden und so sind es hauptsächlich Blätter, die einen auf den nackten Körper treffen. Wie eine Massage kann man es verstehen, wobei es  nebenbei wohl auch noch Bakterien bekämpfen soll. Nach all dieser Hitze springt man dann in den See - die Dusche gibt es ja erst seit ungefähr einem Jahr!
Auch wenn ich die Sauna mittlerweile schätzen gelernt habe und gerne dort hinein gehe, den Brauch mit den Birkenzweigen kann ich noch nicht auf die Liste meiner besten Erfahrungen setzen und auch der kalte See hat mich bisher nur einmal nach der Sauna willkommen geheissen, die Dusche ist dann doch bequemer.

Wasser auf die heissen Steine für den Dampd und Birkenzweigen mit denen man sich "schlägt"
Zurück auf der Farm hielt es uns dort allerdings nicht lange. Nur kurz lernte ich Jaaks Schwester und ihre Kinder kennen, der Sohn der 6 Jahre alt ist und die kleine einjährige Tochter. Auch der 6jährige Sohn und die 10jährige Tochter seines Halbbruders waren dort.

Die einjährige Marie (Mari-e, nicht einfach Mari-i) nimmt ein Bad im Waschbecken


Etliche von euch wissen sicher noch von dem Plan ein Floss zu bauen und damit wie Tom Sawyer für ein paar Monate auf grosse Tour zu gehen! Schön wärs gewesen... Naja, der Plan wurde vertagt.
Erstens hätten wir zu viel Hilfe von anderen Leuten in Empfang nehmen müssen um uns Materialien zu besorgen und sie zu transportieren, zweitens fahren auf den Flüssen zu viele Motorboote vor denen wir ohne Motor nicht hätten ausweichen können und drittens gibts es auf den meisten Flüssen auch kleine Wasserfälle, die es mit einem ungelenkigen Floss schwer wäre hinuter zu fahren.
Also wurde aus dem Floss ein Kanu und das mieteten wir uns nicht, sondern liessen es extra für uns bauen und kauften es! Cool, ich hatte noch nie zuvor ein eigenes Kanu besessen...
Wir probierten unsere neuen Schwimmwesten aus, packten einen gesamten Tag und hatten viel zu viel Zeug. Am nächsten Tag sollte es los gehen!



Jaaks Neffe und Nichte

Ein ganzes Auto voller Zeug! Na ob das nicht auch für ein Kanu zu viel ist...