Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Thursday, October 3, 2013

Hõissa Pulmad! Auf zur estnischen Hochzeit, Teil 1!

Wir schreiben das Jahr 2011.
Es ist ein schönes, sonniges Wochenende, im nördlichsten Teil Australiens.
Wir befinden uns in einem Hostel, welches sich durch seine Natürlichkeit von anderen Hostels abhebt.
Hier dürfen die Hühner noch frei herum laufen und ihre Eier legen, damit jeder Gast sich eines suchen kann um es später in der "Outdoor-Küche", unter freiem Himmel zuzubereiten.
 Etliche Zelte befinden sich auf einer kleinen Wiese, mit jungen Menschen davor, die sich fröhlich unterhalten oder gemeinsam musizieren.
Kontakte zu knüpfen ist auf diesem kleinen Stück Erde nicht schwer.

Australien...
Und so trafen an diesem Wochenenende vier junge Menschen aufeinander, aus den unterschiedlichsten Gegenden der Welt.
 Eine davon war ich, Barbara, aus Deutschland. Die andere junge Frau war Ruby, aus Korea.
Und nicht zu vergessen sind die zwei jungen Männer, beste Freunde aus Estland, mit den Namen Jaak und Meelis.

Es war derselbe Tag an dem Ruby und Meelis, wie auch Jaak und Barbara beschlossen, ihren Weg ein Stück gemeinsam zu gehen.
Nur zwei aufregende Urlaubsbeziehungen, die durch interessante, verführerische Reisegefühle genährt werden, oder doch etwas Ernsteres?

Reisen mit Meelis und Ruby
Bis heute kann zweifellos Niemand den Ausgang hervorsehen, aber mehr als zweieinhalb Jahre später befinden sich diese vier zufriedenen Personen nun gemeinsam im kleinen Estland,
um ihr Glück hier zu versuchen.
Und eines dieser Paare hat nun geheiratet!

Traditionell estnische Hochzeit!
  Nein, es sind nicht wir. Wir lassen es langsam angehen und schauen erst einmal zu.
Aber bereits letztes Jahr feierten Meelis und Ruby eine spektakuläre, traditionelle Hochzeit in Kora.
Leider konnten wir, wie auch viele Andere, nicht den weiten Weg auf uns nehmen, um dabei zu sein.

Deshalb feierten sie vor wenigen Wochen noch einmal hier in Estland, wovon ich nun berichten möchte!
Die Familien von Meelis und Jaak
Obwohl der Termin für die Hochzeit schon eine Weile stand, lief alles relativ spontan ab.
Denn nur 3 Wochen vorher beschlossen die zwei, nicht, wie geplant, einen Raum anzumieten, auf der estnischen Insel "Saaremaa", sondern vielmehr hier in Jaak´s Familienfarm zu feiern! 

Es würde eine traditionell estnische Hochzeit werden und das war für alle ca. 50 Teilnehmer spannend und neu. Denn auch in Estland heiratet so gut wie jeder in den bekannten, schicken Klamotten, die Braut trägt ein teures, weisses Hochzeitskleid und die eigentliche Feier findet innerhalb eines Tages statt.
Diese Hochzeit aber würde ein ganzes Wochenende gehen. Die Gäste schliefen entweder in den wenigen Betten im Haus, auf Isomatten in der Sauna und auf dem Dachboden, oder sie zelteten auf der zur Farm gehörenden Wiese.



Los ging´s also am Freitag und an diesem Tag hiess es vorbereiten. Früher wurde zu einer Hochzeit gewöhnlich das ganze Dorf eingeladen, da man nicht viele Menschen in anderen Orten kannte.
Und weil da so viele Menschen zusammen kamen, für die gesorgt werden sollte, half und brachte einfach jeder etwas mit!
An diesem Freitag wurde bei uns also das grosse Festzelt aufgebaut, Licht installiert, Plumpsklos aufgestellt, Feuer gemacht, Suppe gekocht, Fleisch eingewickelt, Kuchen gebacken, Schlafplätze vorbereitet, Texte einstudiert und so weiter und so fort... Jeder half mit.

Die Kinder fütterten die Fische und ich pflückte ein paar Äpfel für die grosse Party.



Zum Essen hatte jeder seinen eigenen Teller, Becher und sein eigenes Besteck mitgebracht. Das mag merkwürdig und unbekannt erscheinen, aber wie gesagt, früher war das ganze Dorf zugegen und Niemand besass genügend Geschirr, um so viele Menschen damit zu versorgen.
Auch nach dem Essen wusch im Idealfall jeder sein eigenes Geschirr ab. Das bedeutete für jeden nur einen geringen Aufwand und für Niemanden zu viel Arbeit.

"Sauna, Toilette, Feuerstelle, "Hungi" (Erklärung zu "Hungi" folgt später) - neben Windlichtern im Baum, die im Dunkeln schön leuchteten, stellte ich ebenso überall Schilderpfosten auf, damit sich auch Keiner verlaufen würde.
  Doch die eigentliche Hochzeitszeremonie begann erst am nächsten Tag, dem Samstag.
Nach einem Suppenfrühstück reisten noch mehr Gäste an und jeder warf sich in Schale. Ich war erstaunt, fast Alle hatten die gewünschte Kleiderordnung erfüllt und waren in Leinenklamotten gekommen, typisch traditionell!

Jaaks Schwester mit ihrer Tochter

Neben den Hochzeitsgästen reisten auch 3 traditionall gekleidete Damen und eine Dudelsackspielerin an, die die Zeremonie durch ihr Singen und Spielen unterstützen würden.

Rechts die 3 Damen sind die Sängerinnen
Auch die Dudelsackspielerin unterstützte die Hochzeitszeremonie.
Die Zeremonie begann traditionell damit, dass alle Frauen die Ankunft der Männer erwarteten.
In der Theorie kamen die Männer mit dem Bräutigam nun zum Hause der Braut.
In der Praxis wohnten Meelis und Ruby natürlich Beide nicht hier, aber es wurde eben so getan als ob.
Eigentlich sollten die Männer auf einer Kutsche angefahren kommen, von schönen Pferden gezogen. Aber der Kutscher und seine Pferde verletzten sich leider am Tag vorher bei einem Unfall leicht und so musste nun der Traktor des Nachbarn herhalten.

Die Männer kamen mit dem Traktor angefahren und wurden von den Frauen begrüsst.


Jaak und Ich waren so etwas wie die "Helfer" von Meelis und Ruby, aber in dieser Zeremonie gab es noch etliche andere Verantwortliche. Da war z.B. der Freund von Jaaks Schwester. Er war der "Vorsinger" auf Seiten der Männer, die seinen Gesang wiederholten.
Die 3 angereisten Sängerinnen vertraten mit ihrem Singen die Seite der Braut. Dieses Singen untermalte die ganze Hochzeit und "führte durch´s Programm".
Bei der Ankunft hiess das zum Beispiel, dass die Frauen sangen: "Wo seid ihr so lange geblieben? Wir haben auf euch gewartet." Und die Männer antworteten: "Die Strasse war lang und hart, bitte vergebt uns."

Der Freund von Jaaks Schwester war der "Vorsinger", die anderen Männer wiederholten seinen Gesang und die Frauen antworteten. Ein Gespräch durch´s Singen fand statt.

Natürlich verstand ich sprachlich nichts, aber erst hinterher wurde mir klar, dass auch viele der anderen Gäste den Text nicht verstanden hatten! Denn die Meisten waren aus dem Norden Estlands angereist und hier im Süden ist der Dialekt so anders, dass nur altgesottene Süd-Esten ihn verstehen.

Zum Zeichen der Versöhnung und Vergebung, weil die Männer "scheinbar" zu spät gekommen waren, brachte Jaaks Mutti einen Humpen Bier. Aus Diesem trank sie dann gemeinsam mit dem Bräutigam und des Bräutigams "bestem Mann". Wie gesagt, all diese Rituale sind fest verankert und wurden hier nicht spontan erfunden, sondern nur wie vorgeschrieben ausgeführt!
Jaaks Mutti "spielte" auf dieser Zeremonie die Mutter von Ruby. Denn ihre Eltern aus Korea konnten leider nicht persönlich dabei sein.

Der Bräutigam (links) und sein "bester Mann".
Nach diesem ersten Teil zogen wir Alle durch einen Torbogen aus 2 Birken, den Jaak und Ich extra im Vorfeld gebaut hatten. Wir gingen gemeinsam die wenigen Meter Richtung Haus.

Gemeinsam zogen wir Alle zum Haus.
Der nun folgende Teil mag wieder etwas absurd erscheinen, aber es ist eine sehr, sehr alte Tradition, die Fruchtbarkeit bringen soll. 
Auf dem Tisch lagen ein Schweinskopf und ein langes Messer. Als "Bräutigamshelfer" sollte es nun Jaaks Aufgabe sein, die Ohren vom Schweinskopf abzutrennen.
 
Jaak versucht die Schweinsohren abzuschneiden, dass soll Fruchtbarkeit für das Paar bringen.

Eigentlich sollte der Kopf gekocht sein, wodurch das Abschneiden einfacher wäre. Da aber die Zeit zum Kochen gefehlt hatte, war der Kopf roh und die Ohren gingen nicht ab.
In diesem Fall verlangte die Tradition, dass Jaak den Kopf auf den Boden schmiess und sagte: "Wer hat diesen Kopf auf den Tisch gelegt! Er ist roh!" Und das tat er nun auch und die Zuschauer lachten.
Verringert das nun die Chancen auf ein Baby? Irgendwann werden wir es erfahren...


Aber der nächste Teil der Zeremonie sollte noch lustiger werden.
Während der letzten Minuten hatten sich 3 Personen unbeobachtet von der Gruppe getrennt und irgendwo auf dem Gelände versteckt. (Die Personen wurden im Vorfeld festgelegt und gefragt.)

Jaaks Schwester versteckt sich in der Scheune.
 Nun fragte Meelis, wo denn seine Braut sei und er schickte Jaak und zwei weitere Freunde aus, um sie zu suchen!
Wo ist meine Braut?
Die Männer wurden schnell fündig und brachten eine Person mit, die einen Schleiher vor dem Gesicht trug und sich in der alten Sauna versteckt gehalten hatte.

Die erste Person wird gebracht. Ist das die richtige Braut?
Aber diese Braut hielt Meelises kritischem Blick nicht stand und als Dieser verlangte den Schleiher zu lüften, erschien darunter Meelises Freund, ein Mann!


Das ist wohl die falsche Braut.

Deshalb beratschlagten die
Männer wieder und Meelis verlangte erneut, seine Braut zu sehen.

Beratschlagen.
Aber die nächste Braut, die man ihm brachte, war Jaaks Schwester und auch Sie wollte er nicht heiraten!
Betasten und Betrachten - Ist das nun die richtige Braut?

Aber Meelis verleugnete auch diese Braut. (Rechts) (Links: Meelises Mutter)
Erst als er die Männer ein drittes Mal losschickte, brachten sie ihm die richtige Braut und er entschied sich erneut für seine Ruby.
Endlich, die richtige Braut ist gefunden!
Die Zwei verbeugten sich nun dreimal voreinander, zum Zeichen dafür, dass sie sich akzeptierten. Denn auf früheren Hochzeiten, bei denen diese Traditionen noch zur Regel gehörten, war sich das Brautpaar im Vorfeld meist fast unbekannt. Sie hatten sich vielleicht nur ein paar Mal gesehen.

Ruby, die Braut
Um der Braut Glück zu wünschen, wurde sie nun auf einem Stuhl dreimal in die Luft gehoben, ganz so, wie wir es auch von Kindergeburtstagen und ähnlichen Anlässen kennen.

Dreimal Hochleben lassen bringt Glück!
Ein eher unbekannter Brauch war der, dass Meelis, Jaak und der "beste Mann" des Bräutigams, in einem Kreis um Ruby herum liefen und ihre Schwerter über des Brautes Kopf zusammen stiessen. Auch dieser Brauch soll Glück, Zufriedenheit und Gesundheit bringen und, ganz davon abgesehen, einfach die Freude darüber zeigen, dass die Braut da ist.



Meelis
Die Feier ist an dieser Stelle noch lange nicht vorbei! Aber um den Lesern Zeit zu geben, alles zu verarbeiten, werde ich für heute hier ersteinmal Schluss machen.

Die Fortsetzung gibt es sehr bald und ich hoffe, ihr seid wieder mit dabei!

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