Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Friday, October 25, 2013

Alltag in der Farm

Aber natürlich haben wir hier nicht alle Tage eine Hochzeit oder durchqueren mit dem Motorrad ein paar Länder. Und deshalb möchte ich auch einmal von unserem Alltagsleben berichten. 
Wie es hier aussieht, wo ich lebe?
So:  

Es gibt einen kleinen See zum Schwimmen.
Ein paar alte Scheunen voller Feuerholz.


Die alte Rauchsauna.
Die neue, wirklich grosse Sauna.
Wie ihr ja sicher noch Alle wisst, kam ich mit wechselhaften Gefühlen nach Estland. 
Zum Einen wollte ich gerne bei Jaak sein, dessen Vater ja gerade gestorben war und der nun ersteinmal für eine ganze Weile hier bleiben würde. Zum Anderen machte mir dieses "eine ganze Weile hier bleiben" aber auch etwas Angst.
Das letzte Mal hatte ich mich hier etwas verloren gefühlt, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen...
 
Die ersten Wochen verliefen allerdings super, denn wir hatten all diese Abenteuer, von denen ich ja schon berichtet habe und durch die Sommerferien waren immer unglaublich viele Leute hier! 

Doch nun war der Sommer vorbei, alle Gäste fuhren nach Hause in ihre Heimatorte und zurück blieben nur noch wir... Jaak, ich und Kanki, der Hund. Wie das wohl werden würde?
Jaaks Mutti und ihre Enkeltochter.
Als ich hier angekommen war, hatte ich innerlich noch geglaubt, wahrscheinlich nur für eine kurze Zeit zu bleiben. Zumindest gab es im Hinterkopf ja immer noch die Option, alleine nach Deutschland zurück zu kehren.
Umso mehr schockte mich nun Jaaks Tatkräftigkeit!
Als Erstes überlegte er eine Katze anzuschaffen, als Spielgefährtin für Kanki, den Hund.
Doch eine Katze bedeuted Verantwortung und das für etliche Jahre, wozu ich mich anfangs nicht bereit fühlte. 
Aber nach ein paar Überlegungen liess ich mich dann doch überzeugen und wir fuhren zum Tierheim, um uns ein kleines Kätzchen auszusuchen!

Unser neues Kätzchen 
Es war mein erster Besuch in einem Tierheim und wer schon einmal in einem Solchen gewesen ist, der weiss, wie herzzerreissend es ist!
All diese trostlos aussehenden Hunde und Katzen, in ihren kleinen Käfigen, keiner hat Zeit mit ihnen Laufen zu gehen oder ihnen Liebe zu schenken...

Unser zukünftiges Kätzchen befand sich mit ihrem Bruder in einem 1x1 Meter grossem Gitterkäfig, in dem nichts weiter war, als Essen und Trinken. Nichts warmes, kuscheliges.
Die zwei Geschwister waren die energievollsten, aufgeregtesten Katzen im ganzen Haus und wer sich mit unserem Hund anfreunden soll, der braucht schon ein wenig innere Stärke und Selbstbewusstsein!

 ´
Ihr Name ist "Jaongi". Das ist das Geräusch, dass eine Katze in Korea macht.
Denn ja - auch Tiere sprechen verschiedene Sprachen in verschiedenen Ländern!
Das Katzen bei uns nicht am Tisch essen dürfen, musste sie erst lernen...
Am Ende ist es nun meist der Hund, der Respekt vor der spielerisch aggressiven Katze hat und nicht anders herum.
Hielten sie es am Anfang gar nicht zusammen aus, sitzen sie mittlerweile aber schon im Abstand von wenigen Metern nebeneinander und es ist wirklich so verdammt spannend zu sehen, wie Hund und Katze sich aneinader gewöhnen, dass ich mich freue, sie hier zu haben!
Interessiertes Beobachten

Die Katze schnappt oft spielerisch den Hundeschwanz, was dem Hund aber gar nicht gefällt.
"Kanki" mag nämlich nur das Spiel des Jagens, was die Katze wiederum nicht begeistert...
Naja, irgendwann finden sie hoffentlich ein Spiel, bei dem Beide Spass haben können. 
Auch sonst sind wir hier von Morgens bis Abends beschäftigt, bauen um und sortieren, machen diesen Ort nach und nach zu unserem Eigenen (wenn auch sicher nicht für immer). Weil wir so viele eigene Entscheidungen treffen können, fühlen wir uns hier wohl.

Das ist, was wir so machen:
Einen Hühnerstall bauen.
Zement mischen. Man beachte "Kanki" auf seinem Stammhügel, der sich auch dann nicht vertreiben lässt,
wenn der Hügel immer kleiner wird...
Streichen
Pflanzen und Laub zusammen rächen.
Holz hacken und stapeln.
Wände ausbessern und Gräben zum Wasser ablaufen lassen buddeln.
 Einmal war die ganze Familie da und gemeinsam machten wir sehr leckeren Apfelsaft. Wie das funktioniert, sieht man am Besten auf den Fotos:
Die erste Maschiene läuft elektrisch. Die halb durchgeschnittenen Äpfel werden klein gemanscht, wenn es hängt wird mit einem Stock nachgeholfen.
Lage für Lage kommt der Brei nun in die nächste, handbetriebene Maschiene. Erst ein dünnes Brett, darauf ein Tuch, hinein der Apfelbrei und dann das Tuch zuschlagen. Dasselbe mit den nächsten Lagen.
 
Dann ein dickes Brett und eine dünne Eisenplatte darauf, drehen und durch den Druck wird der Mus zusammen gepresst und der Saft fliesst! Er wurde dann bei mindestens 72 Grad gekocht, denn das soll ihn haltbar machen...
Es gibt noch einen Grund, dass es mir hier in Estland nun besser gefällt als beim letzten Mal.
Ja, zum Einen habe ich etwas Sinnvolles zu tun. Und ich bin nicht einsam. Denn neben der Familie, die oft zu Besuch kommt, kommen auch unsere Freunde Meelis und Ruby ab und zu, der Nachbar hilft fast täglich beim Bauen, die Postfrau sagt Hallo und wir laden seit Neuestem auch "Woofer" in unsere Farm ein!

Fussball spielen mit "Kanki"

Das sind Freiwillige aus allen möglichen Ländern, die kostenlos bei uns wohnen und essen, wofür sie uns vier bis fünf Stunden täglich aushelfen. Jaak und ich haben Beide schon etliche Male "Woofing" auf verschiedenen Farmen gemacht, aber ich geniesse es viel mehr, diese Menschen bei uns aufzunehmen!
Denn es ist die Chance, alles was mir selbst auf anderen Farmen nicht gefallen hat, besser zu machen. Können wir gerade einmal nicht die Welt sehen, dann kommt die Welt eben zu uns.
Bisher hat uns ein Ire besucht und ein Paar aus Australien. Ausserdem ist eine deutsche Freundin für die nächsten Wochen angemeldet und über neue Anfragen, können wir uns wirklich nicht beschweren.  
Zum Abschluss noch ein paar Fotos.
 
 
Ich habe auch schon wieder ein paar Pläne, wie es in den nächsten Monaten weiter geht und war dafür letzte Woche in Deutschland.
Aber dazu mehr, im nächsten Blog!

Sunday, October 6, 2013

Hõissa Pulmad! Auf zur estnischen Hochzeit, Teil 2!

Wie gesagt, die Hochzeitszeremonie war noch nicht beendet und nun kamen wir zu einem Brauch, der den Meisten von Euch vielleicht nicht ganz unbekannt erscheinen wird.
In Deutschland wirft die Braut einen Strauss in die Menge unverheirateter Frauen und wer ihn fängt, der wird als Nächstes heiraten. So sagt es zumindest die Tradition.

Ruby mit verbundenen Augen

Ähnlich war es auch hier. Allerdings bildeten wir Frauen einen Kreis, während Ruby mit verbundenen Augen und dem Blumenkranz auf dem Kopf, der auch "Tiara" genannt wird, in der Mitte stand. Die Dudelsackspielerin spielte vergnügt ihre Musik und wir drehten uns dazu immer wieder im Kreis. Ruby wusste nun nicht mehr, wer an welcher Stelle stand.
Dann ging sie los, in keine bestimmte Richtung und suchte sich wahllos eine der Frauen heraus. 
Wen, das wusste sie ja selber nicht.

Wahllos wählt sie eine der Frauen aus.

Diese junge Frau bekam nun Rubys Blumenkranz auf den Kopf, ihr Freund kam dazu und sie tanzten ein wenig.
Ob sie wirklich als Nächstes heiraten - dazu kann ich leider keine Auskunft geben.

Diese junge Frau wird, dem Brauch nach, als Nächstes heiraten.

Aber damit war es mit Tanzen noch nicht genug, jetzt waren Alle an der Reihe!
Unter Anleitung der Dudelsackspielerin schwangen wir nun unsere Hüften. Mal in einem Paartanz, bei dem man immer wieder den Partner wechselte, mal in einem Kreis, während wir uns Alle an den Händen hielten oder auch in einer langen Schlange laufend, wobei Meelises Mutter uns anführte und es hauptsächlich auf die "Fussarbeit" ankam.


Nicht immer lief alles genau nach Anweisung. Aber gerade dann, wenn es ein grosses, kunterbuntes Durcheinander wurde und sich Niemand mehr an die nächsten Schritte erinnern konnte, hatten wir den grössten Spass und kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus!

Die Sängerinnen schauten hier einfach mal nur zu.

Nach diesem fröhlichen Tanzen, hiess es für die Braut Abschied nehmen. Wie gesagt, eigentlich befanden wir uns gerade im Hause der Braut und nun würde der baldige Ehemann sie mit in sein Heim nehmen, wo sie bis zum Ende ihres Lebens zusammen leben würden.
So war es zumindest in alten Tagen üblich ...
Und damit Ruby der Abschied von ihrem Elternhaus nicht so schwer fallen würde (früher hatten die Bräute ja noch nie irgendwo anders gewohnt, als bei ihren Eltern), bekam sie ein weisses Tuch über den Kopf, damit sie den Abschied nicht sehen musste.

 

Dieses Tuch wurde ihr von ihrer Mutter über den Kopf gelegt, in diesem Fall also von Jaaks Mutter, da Rubys Eltern ja nicht dabei waren.

Damit Ruby den traurigen Abschied von ihrem Elternhaus nicht sehen muss, legt ihre Mutter ihr ein weisses Tuch über den Kopf.

Begleitet wurde diese Zeremonie wieder durch viel Gesang. Die 3 Sängerinnen sangen davon, wie schön und toll die Braut ist und gaben weise Ratschläge über ihr zukünftigen Leben. Und die Männer antworteten mit Lobgesängen über den Bräutigam.

Nun wird der Bräutigam seine zukünftige Braut mit nach Hause nehmen und sie werden bis zum Ende ihres Lebens dort gemeinsam leben ... So war es zumindet damals üblich.

Eigentlich würde nun die ganze Hochzeitsgesellschaft in einer Pferdekutsche zum Haus des Mannes fahren, wo die Zeremonie fortgesetzt werden würde. 
In unserem Fall war es aber eine Fahrt auf dem Anhänger des Traktors, an der, wegen Platzmangel, auch nicht alle Gäste teilnahmen. Wir fuhren auch nicht zu einem anderen Haus, sondern kamen am Ende wieder in derselben Farm an.

Schon auf den Anhänger zu klettern war ohne Stufen und die Hilfe von Anderen ziemlich schwierig!

Und ja, es wurde eine verdammt holprige Fahrt! Da waren keine Bänke oder Ähnliches auf dem Anhänger und der Boden war nicht nur wellig, sondern auch dreckig. Man konnte also weder stehen, weil man so kein Gleichgewicht halten konnte, noch sitzen, weil es zu dreckig und wellig war. Wir verbrachten die Fahrt also in einem hockähnlichem Zustand, bei der netterweise Jeder dem Anderen unter die Arme griff und nahezu umfallende Personen festhielt.
(Wie z.B. die Dudelsackspielerin, die während der ganzen Fahrt noch ihr Instrument spielte!)
Und wir fuhren natürlich auch auf keiner glatten Landstrasse, sondern auf Buschwegen einmal um die Farm! Manchmal war der Boden so schräg, dass ich hoffte, der Anhänger würde nicht nach einer Seite umkippen. Im Wald kamen dann noch Bäume und Büsche hinzu, durch die wir uns mit gesenkten Köpfen schlängelten.

Jaak war unser Fahrer

Zugegeben, ich war ein wenig ehrleichtert als wir unbeschadet die Farm wieder erreichten. Aber eigentlich mochte ich es auch, dieses kleine, neue Abenteuer. 
Besonders die Kinder würden diese Fahrt wohl so schnell nicht vergessen.
 

Nun waren wir also, dem Brauch nach, in Meelises Haus.
Vor dem Anhänger lag nun ein Schaafsfell auf dem Boden und nachdem Meelis Ruby vom Anhänger gehoben hatte, stellte er sie darauf.
 Ruby durfte den Boden nicht berühren, dann würden sie Beide Glück mit ihren zukünftigen Tieren haben. 
(Damals war es ja üblich in der Farm zu leben und Tiere zu halten.)
Eigentlich würde die Braut an dieser Stelle nun auch eine Art Gürtel auf den Boden legen, den Meelises Mutter dann an sich nehmen würde, als ein Zeichen von Freundschaft und Frieden zwischen Ihnen. Aber irgendwie ging dieser Brauch im Geschehen unter.

Doch, wie vorgesehen, warf Meelises Mutti Getreidekörner über Ruby, das würde Glück für ein Leben in der Farm bringen. Interessant, dass man damals mit Getreidekörnern warf und heute Geldstücke über das Paar regnen lässt...

Ruby darf nicht neben das Fell treten, dass bringt Glück für die zukünftigen Tiere, die sie halten werden.
Meelises Mutter (dahinter) wirft Getreidekörner über Ruby, das bedeutet Glück für ein Leben in der Farm.
  
Die nächsten zwei Bräuche werden wahrscheinlich wieder Einigen von euch bekannt vorkommen. 
Meelis musste einen grossen Holzklotz durchhacken und Ruby eine Puppe wickeln. Einfach zum Zeichen dafür, dass sie ihr eigenes Leben bewältigen können.

Meelis beim Holz hacken
Ruby musste eine Puppe wickeln, zum Zeichen dafür, dass sie es mit ihren zukünftigen Kindern auch hinbekommt.
 

Mittlerweile war es früher Nachmittag, alle waren hungrig und deshalb hiess es nun Essen!
Ruby und Meelis hatten, genauso wie wir, in Neuseeland eine interessante Art des Kochens kennen gelernt, die wir eine Woche vor der Hochzeit selbst erprobt hatten und nun anwenden wollten.
"Hungi" wird es genannt, das Kochen des Essens unter der Erde.
Durch die folgenden Fotos, die bei unserem Test eine Woche vor der Hochzeit entstanden sind, soll klar werden, wie es funktioniert.

Zuerst gruben wir ein tiefes Loch, füllten den Boden mit grösseren Steinen aus und entzündeten darauf für 2-3 Stunden ein Feuer.
Am Hochzeitstag war es meine Verantwortung immer wieder Holz nachzulegen und ich schlüpfte mehrere Male aus meinen schicken Klamotten heraus, um mich in alten Arbeitssachen dem Feuer zu widmen.
Nach ca. 2 Stunden half mir Jaak die Kohlereste heraus zu holen und die Grube zu säubern.

2-3 Stunden lang das Feuer in der Grube brennen lassen, dann die Kohlereste heraus holen.
Das Fleisch hatten wir am Freitag gemeinsam mit einigen Hochzeitsgästen in Alufolie gewickelt und nun legten wir es auf die heissen Steine. Diese würden das Essen von unten kochen. 

In Alufolie eingewickeltes Fleisch wird auf die heissen Steine gelegt.

Meelis beschwor uns, auch noch einen alten Kartoffelsack mit hinein zu legen, den wir vorher triefend nass gemacht hatten. Dieser sollte wohl gut für das Aroma sein, aber die vorherigen Male hatte es auch ohne gut funktioniert!

Ein nasser Kartoffelsack auf dem Fleisch könnte gut für das Aroma sein.

Dann deckten wir die Grube mit einer dünnen Eisenplatte ab und entzündeten darauf für weitere 2-3 Stunden erneut ein Feuer. Die Hitze kam nun von oben und unten.

Dann die Grube mit einer Eisenplatte abdecken und für weitere 2-3 Stunden darauf ein Feuer entzünden.

Es war ein verdammt spannender Moment, als wir das Essen schliesslich aus der Grube holten! Wenn es nichts geworden wäre, würden die Gäste hungrig bleiben...
Aber es war super! Sowohl Schweinefleisch, wie auch Hühnchen waren Gott sei Dank gelungen!
Und wir hatten unerwarteterweise so viel, dass es für Mittag und Abendbrot reichte und etliche Gäste auch noch etwas mit nach Hause nahmen.

Yeah, das "Hungi" war gelungen! 
Für die Dekoration der Tische war ein Cousin von Meelis zuständig,
der im Catering Service arbeitet. Ja, es brachte sich Jeder ein...

Nach dem Essen fand die wohl wichtigste Zeremonie statt, bei der allerdings nur verheiratete Frauen dabei sein durften. Hier wurde aus dem Mädchen eine Frau und, wie mir Ruby später beschrieb, waren manche Frauen so bewegt, dass sie weinten. 
Es gibt eine Art Gürtel und eine Art Mütze, die damals nur verheiratete Frauen trugen.
In einer Zeremonie, die eine der Sängerinnen anführte, bekam Ruby nun diese Mütze von Meelises Mutter auf den Kopf gesetzt, welche sie und ihre Familie für immer beschützen soll.
In der Theorie würde Ruby diese Mütze nun bis zu ihrem Lebensende, jeden Tag tragen. 
Das Aufsetzen der Mütze wäre das Erste am Morgen und das Abziehen das Letzte am Abend.
In der Praxis wird sie das nicht tun.
Aber ich bin überzeugt, dass diese Mütze trotzdem einen grossen Wert für sie hat.

Diese Mütze bedeutet, dass Ruby jetzt eine verheiratete Frau ist.

Diese Zeremonie fand in der neuen Sauna statt und wir anderen Gäste warteten gespannt, wie es wohl weiter gehen würde.

Warten wie es weiter geht, mit dem Programm in der Hand.


Als Ruby aus der Sauna kam, trug sie eine Schürze um die Hüften, und die Tasche daran war leer.
Es dauerte nicht lange und wir fanden uns mitten in einem Brauch wieder,
der speziell aus dem Süden Estlands kommt, wo wir uns ja hier befinden.
Ruby zeigte immer wieder ihre leere Schürze und gemeinsam witzelte man,
dass diese ein Loch hätte, welches gestopft werden musste.

Ruby mit der Schürze. Die Zwei tanzten extra für uns.
Dann gingen die Männer mit einem grossen Krug voll Bier zu jedem Gast und boten Jedem einen Schluck an. Zum Dank gaben wir unsere Euro-Münzen, die wir extra vorher gesammelt hatten und Rubys Schürze wurde voller und voller.

Es war nicht üblich, dass jeder Gast ein grosses Geschenk zur Hochzeit machte und durch diesen Brauch konnte das Brautpaar wenigstens einen Teil der ausgegebenen Kosten wieder einnehmen.
Auch hierbei wurde wieder viel gesungen und dadurch erklärt, wie der Brauch abläuft.

Bier trinken und zahlen - Jeder trinkt einen Schluck und gibt ein paar Münzen dafür.
Eine weitere Tradition, bei der ich allerdings nicht persönlich anwesend war, ist die, dass das Brautpaar und 2 weitere Freunde ein Baby dreimal in die Luft "werfen" und es gleich wieder auffangen.
Das soll die Fruchtbarkeit erhöhen.
Manche von euch werden das jetzt wahrscheinlich absurd finden, aber das ist ok. Denn ehrlich gestanden geht es mir genauso - Obwohl ich das Wochenende sehr interessant fand und geniessen konnte, erschienen mir manche dieser Bräuche doch wie aus einer anderen Welt...


 

Aber da war auch noch eine andere Tradition, bei der es super war, dabei zu sein! Denn, auch ohne die Sprache zu verstehen, wurde es richtig amüsant!
Und zwar spreche ich von der Übergabe der Aussteuer.

Anpreisen der "wunderbaren" Aussteuerbox!

In alten Tagen haben die Mädchen von Kindsbeinen an eigene Dinge hergestellt, wie Socken, Tücher, Handschuhe, Mützen... , die dann in ihre "Aussteuerbox" kamen.
Wenn sie heirateten, war das quasi ihre Mitgift für den Mann.

Aber ganz so einfach bekam er diese Box dann doch nicht, wie wir hier sehen können!
Denn erst musste des Bräutigams "bester Mann" mit der Mutter der Braut darüber verhandeln.

Jaaks Mutti "spielt" Rubys Mutter und wartet auf den Beginn der Verhandlung.

Und das ging so:
Der "beste Mann" gab seine Absicht kund, dass er die Box für den Bräutigam haben möchte.
Aber die Mutter sagte nur:
"Meine Tochter hat so lange und hart dafür gearbeitet, du kannst sie nicht haben."
Daraufhin legte der "beste Mann" eine Münze auf die Box, in eine der Ecken.
Aber das war der Mutter nicht genug und die Verhandlung ging weiter.
 Der "beste Mann" gab der Mutter einen Schnaps aus und sie diskutierten fortlaufend.
Dann legte er eine Münze in die nächste Ecke, aber auch das war der Mutter noch nicht genug und sie tranken wieder einen Schnaps.

Schnaps trinken um die Verhandlung aufzulockern.
Die Zuschauer hatten Spass

 So wechselte sich das nun immer weiter ab. Die Zwei tranken Schnaps, verhandelten, die Zuschauer hatten ihren Spass und wie ging es aus?
Erst als der "beste Mann" in alle vier Ecken eine Münze gelegt hatte, gab die Mutter nach und die Box gehörte nun dem Bräutigam!
Natürlich wieder nur im übertragenem Sinne...
Denn Ruby hatte nicht wirklich ihr ganzes Leben lang daran gesessen eine Aussteuer herzustellen und deshalb war in der Box auch etwas ganz Anderes.
Und zwar Geschenke für die fleissigen Helfer!
Meelis und Ruby bedankten sich nicht nur bei den Musikanten, sondern auch bei Eltern, Geschwistern, Freunden ... einfach Allen die etwas zur Hochzeit beigetragen hatten und dazu gehörten auch wir.
Und DIESE Geschenke - die waren wirklich selber gemacht...

Selbst gemachte Geschenke für alle Helfer.

Das ist es nun fast gewesen, von der Hochzeit und den vielen, unbekannten Bräuchen.
Es folgte eine weitere Tanzrunde zum Dank für die Geschenke und Abends ein paar lustige Spiele. Da war ich allerdings nicht dabei, weil ich mich um das Essen kümmerte.

Ein paar witzige Spiele am Abend, die von Meelises Freund angeleitet wurden.
Ebenso verpasste ich die "Versteigerung", bei der Meelis und Rubys, angefangen von Liebesbriefen, bis hin zu Gewürzen aus Asien, alles Mögliche versteigerten und das Geld in ihre Hochzeitskasse floss.

 Als "Alleinunterhalter" kam später ein Akkordeonspieler, der sowohl das Spiel anheuerte, bei dem ein Paar nicht von der Zeitung hinunter treten darf, und diese immer kleiner gefaltet wird, wie er auch die Gäste zu seiner traditionellen Musik tanzen liess!
Wirklich lange ging die Nacht aber nur für ein paar Gäste. Denn so eine 3-Tageshochzeit strengt auch ganz schön an! Wir hatten alle den Tag genug genossen, draussen waren es mittlerweile unter 5 Grad Celsius und einen Raum zum Drinne sitzen, für viele Menschen, gab es nicht.
Aber das war auch gar nicht wichtig. Denn EINEN warmen Raum gab es immer noch und wir nutzten ihn zur Genüge - die Sauna!

In der alten Rauchsauna kamen wir, trotz Kälte, ganz schön ins Schwitzen.

Am nächsten Tag hiess es nur noch frühstücken, aufräumen und dann fuhr jeder wieder nach Hause.
 Alle bis auf Meelis, Ruby, sein Freund aus Mexiko und ihre Freundin aus Korea, die noch eine Nacht länger blieben.
Und ja, das war verdammt toll! 6 junge Freunde die zusammen in einer Farm leben... klingt super in meinen Ohren!

Meelis und Ruby mit ihrer Freundin aus Korea und seinem Freund aus Mexiko.

Und abschliessend noch ein paar schöne Bilder aus dem Sumpfgebiet gleich hier um die Ecke, zu welchem wir auch an diesem Abend gingen.






Bis bald! Dann aber sicher zu keiner Hochzeit...

P.S.: Und wer immer noch nicht genug hat und noch mehr Fotos sehen will, der schaue bitte hier:
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