Viele Monate des Reisens sind bereits vergangen, doch es ist noch nicht vorbei. Macht man sich auf die Suche, dann findet man ueberall Abenteuer! Nur los gehen muss man. Und genau das habe ich wieder vor. Wohin? Einfach immer der Nase und dem Herzen nach. Für Interessierte gibt es hier die Fortsetzung von sabsbabsundanneinaustralien.blogspot.com!

Saturday, January 26, 2013

Der letzte Estland - Blog

Ungefähr 5 Monate habe ich in Estland verbracht. Es gibt etliche Orte, die mir in Erinnerung bleiben werden, Menschen, die mich zum Denken anregen konnten und Erfahrungen, die mich in meinem Leben in der einen oder anderen Richtung weiter gebracht haben.
Ein schöner Ort, den ich kennen lernen durfte, war "Kloogaranna", ca. 40 km westlich von der Hauptstadt "Tallinn". Jaaks Schwester hat dort mit ihrer kleinen Familie ein Sommerhaus, natürlich auch mit Sauna. In Estland hat ja fast jeder eine Sauna...

Der Eingang zum Garten-Gelände.
Das "Sommerhaus"

Der kleine Shop um die Ecke
Der Bahnhof "Klooga - Strand"
Auch der Strand war eine ganz ordentliche Erscheinung, selbst um diese herbstliche Jahreszeit. Hier sah ich auch meine erste und einzige Schlange, diese Eine ist in Estland sogar giftig!

 


Jaaks Vater hatte vor vielen, vielen Jahren einmal hier als Rettungsschwimmer gearbeitet und unter der Woche in diesem kleinen, nun verfallenen Häuschen gearbeitet und gewohnt.



Mein Lieblingsplatz war aber der kleine Fluss in der Nähe, der so friedlich vor sich hin plätscherte und in den unser Hund "Kanki" nur zu gerne sein Stöckchen geworfen bekam.


Unser fauler Hund "Kanki"
Nach ein paar Wochen ging es über Tallinn wieder zurück, auf die Farm der Eltern, im Süden Estlands.

Es war bereits Ende Oktober 2012 und meine kleine Schwester Martina kam mich in ihren 2 Wochen Herbstferien besuchen! Ich war so froh, dass sie kommen würde, endlich ein mir vertrautes Gesicht auf der schönen, aber einsamen Farm!
2 Tage vorher hatte ich unter der Dusche gestanden und, wie so oft in den letzten anderthalb Jahren, war ich beim Haare kämmen wieder einmal am Verzweifeln. Spülungen halfen nicht mehr und auch die Haarkuren waren bald keine Lösung mehr. Sie waren einfach nur noch trocken und kaputt, wohl hauptsächlich von der extremen Sonne in Australien. Warum also nicht alle Haare komplett abrasieren? 
Seit anderthalb Jahre dachte ich darüber nach und konnte mich einfach nicht überwinden.
Aber nun konnte ich! Also ging ich zu Jaak in die Küche, er war sofort einverstanden und los gings...

Nein. Ich konnte nicht. Ich lief davon und versteckte mich 10 Minuten in der Ecke.
Sollte ich wirklich eine GLATZE bekommen??? Niemals!

Gleich gehts los...
Nach 10 Minuten hatte ich mich wieder gefangen. Vielleicht ja doch? Also setzte ich mich in die Küche 
(ein Bad gab es ja nicht...) und tatsächlich - mit dem elektrischen Rasiergerät setzte Jaak an - und schon fielen die ersten Haare zu Boden. 
Die erste Strähne war die Schlimmste - ich bekam so eine Panik, dass ich dachte durch zu drehen oder einfach ohnmächtig, mit meinen Haaren zusammen zu Boden zu fallen.
Als mich Jaak bei den nächsten Strähnen dann aber darauf aufmerksam machte, dass es nun sowieso kein Zurück mehr gab, da wurde ich wieder unglaublich ruhig. So war es jetzt also. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und in den letzten Jahren ziemlich gut gelernt, mich nicht über getroffene Entscheidungen später zu ärgern, sondern einfach mit ihnen zu leben. Ich wollte ja auch nicht wie ein Punk aussehen - mit langen Haaren auf der Einen, und kurzen Haare auf der anderen Seite.
Da sind sie - meine Haare, die sich eben noch auf meinem Kopf befanden...
2009 hatte ich einmal meine Haare glätten lassen. Ich war so geschockt gewesen von dem Resultat am Ende, dass ich schnellstmöglich nach Hause fuhr, um unter fliessendem Wasser meine Locken zurück zu gewinnen.
Nun erwartete ich eine ähnliche Reaktion, aber Nichts kam. Als ich nach 7 Minuten eine ungewöhnliche Kälte am Kopf verspürte und mir Jaak zu guter Letzt einen Spiegel in die Hand drückte - da breitete sich echte Ehrleichterung auf meinem Gesicht auf! Man weiss ja nie, was für eine Beule sich unter den eigenen Haaren verbirgt, aber ich hatte glücklicherweise Keine!
In den nächsten Tagen hatte ich Kopfschmerzen und fror ständig - die beste Jahreszeit hatte ich mir für diesen radikalen Schnitt nicht ausgesucht. 

Als meine Schwester kam war ich überglücklich. Ich holte sie vom Bahnhof ab mit einem Hut auf dem Kopf - ich hatte wirklich NIEMANDEN verraten, dass ich seit einigen Tagen keine Haare mehr hatte!
Ein wenig gewöhnungsbedürftig fand sie es wohl schon, aber irgendwie kann man es irgendwann sogar mögen! Wie interessant, sein Haar einmal in jeder Wachstumsstufe sehen zu können... Und am Ende wird es wieder wunderschön gesund und lang sein.
Auf Tour mit meiner Schwester.
Auch Jaaks Schwester war mit ihren Kindern und dem Sohn des Halbbruders gerade auf der Farm.
Martina bekam im Grossen und Ganzen dieselben Orte zu sehen, die auch meine Eltern hier im Sommer schon gesehen hatten. Wie toll wenn man eine Familie hat, die sogar diesen weiten Weg auf sich nimmt, nur um Einen zu besuchen! 
Immer wieder über die Grenze nach Lettland in nur einem Schritt...
Und ein Ausblick über das Gelände der Gegend "Võru"...


Dachte ich am ersten Tag noch Martina hätte die Sonne mitgebracht, wurde ich bald eines Besseren belehrt. Nach wenigen Tagen lag Ende Oktober so viel Schnee in Estland, wie ich ihn seit vielen, vielen Jahren in Deutschland nicht gesehen hatte!




Und genau zu dieser Zeit, hatte Jaak eine wunderbare Idee. Er nahm uns mit, direkt in den Schnee hinein. In ein Stück unberührte Natur, mit einer wundervollen Schneelandschaft, die Niemand durch seine Schritte zerstören konnte. Es war derselbe Ort an dem ich auch mit meinen Eltern gewesen war, dieses kleine Häuschen in dem feuchten Gebiet, in welchem man wegen dem Wasser nur auf einem dünnen Steg herum laufen konnte.
Dieselbe Stelle vor ein paar Monaten im Sommer...
 

Hier ist noch alles grün...

Aber nun war alles anders. Friedlich lag die Landschaft da. Die kleinen, alten Bäume waren bedeckt von einer Schneeschicht, so hoch wie der Zeigefinger lang ist. Mühselig war der Weg auf dem Steg entlang, denn da alles von derselben Schneeschicht bedeckt war, konnte man diesen Steg auch nicht von der umliegenden Landschaft unterscheiden.



Der kleine, sonst so hellblaue See, lag nun schweigend, dunkel da und der Kontrast zum graublauen Himmel und strahlend weissen Schnee war atemberaubend. Nur wenige Momente gab es bisher in meinem Leben, in denen ich staunend in der Natur stand und nicht glaubte, was ich dort sah. Aber diese Minuten raubten mir tatsächlich den Atem und ich wusste, meine zwei Begleiter erkannten ebenso die Schönheit dieses Momentes.
Leider kann kein Foto diese Gefühle tatsächlich einfangen.




Dann kamen wir zu dem kleinen Häuschen, welches extra für Wanderer dort eingerichtet ist. Dieses eine Mal wollten wir sogar über Nacht bleiben. Es gab einen Ofen und wir hackten fleissig Holz um die winterliche Kälte zu vertreiben. Es dauerte eine ganze Weile, aber über Nacht wurde es so angenehm kuschelig und warm in der Hütte, dass ich mich rundherum wohl fühlte! Unsere Gespräche waren tiefgründig und angenehm, Essen hatten wir auch mitgenommen und es mangelte an Nichts. Ab und zu mussten wir nur die Tür öffnen und den Rauch heraus lassen um nicht zu ersticken, so richtig perfekt war dieser gutaussehende Ofen wohl nicht gebaut.

In der Hütte.
Der märchenhafte Ofen.
 Mitten in der Nacht kam uns eine kleine Maus besuchen, die uns ersteinmal einen gewaltigen Schrecken einjagte!! Da ist man zu Dritt in einem einsamen Haus mitten im Wald, umgeben von kilometerlanger Weite, die nächsten Menschen sehr weit entfernt... und da raschelt und knistert es auf einmal in der Dunkelheit. Als wir mit Hilfe der Taschenlampe das kleine Mäuschen ausgemacht hatten, beruhigten wir uns aber wieder und schliefen bald ein. Nur die nächtlichen Toilettenbesuche, bei denen man hinaus in die Dunkelheit und Kälte musste, blieben ein wenig gewöhnungsbedürftig.

Am nächsten Tag liefen wir wieder zurück mit unseren grossen Taschen voller dicker Decken und Klamotten gegen die Kälte. Noch einmal genossen wir die unberührte Landschaft, in welcher nun ein paar Fusstapfen eines morgendlichen Spaziergängers zu sehen waren. So fanden wir wenigstens den Steg.


Die Nachbarin in der Farm ist über 80 und lebt noch immer alleine "auf dem Land". Dinge wie Holz holen, werden in diesem Alter schon ein wenig schwieriger.
Die letzten paar Tage mit Martina verbrachten wir in der Stadt. Mit dem Zug ging es erst nach "Tartu" und ein paar Stunden später nach Tallinn.


Die "berühmte" Statue in Tartu. Das Wasser spritzt zwar noch immer an das Paar unter dem Regenschirm, aber zur Hälfte sind sie eingefroren im Eis. Ein schönes Bild.
Jaaks Schwester bot sofort an, wir könnten die paar Tage in Tallinn bei ihnen wohnen und das fand ich unglaublich nett. Sie nahm uns so herzlich und gastfreundlich auf!


Ein paar letzte Tage in der Stadt.
Erst als Martina schon in Estland angekommen war, überbrachte ich ihr noch eine weitere überraschende Nachricht: Ich würde mit ihr nach Hause kommen! Weder meine Eltern, noch irgendjemand anders wusste bisher etwas davon und ich wollte es Ihnen auch noch nicht sagen. Ich hatte ja bereits gelernt, dass im letzten Moment immer noch etwas dazwischen kommen könnte...

Ich verabschiedete mich von Jaak, den ich nun für ein paar Monate nicht sehen würde, weil er in Italien die Sonne geniessen wollte. Es war ein unglaublicher Schritt wieder nach Hause zu gehen und ich hatte viele verzweifelte Minuten darüber verbracht, eine Lösung zu finden, was ich denn als nächstes mit meinem Leben anfangen wollte. Nun würde es für mich ersteinmal nach Deutschland zu meiner Familie gehen und von da aus würde ich mir irgendwo auf der Welt einen Job suchen. Irgendwo, wo man eben Erzieher braucht und eine Sprache spricht, die ich verstand. Jaak war es egal, er würde dann dorthin nachkommen, wo ich auch war und versuchen mit mir ein "neues Leben" zu beginnen.

Martina und ich fuhren zusammen mit dem Bus nach Riga, Lettland und wir verbrachten dort eine Nacht im Hostel. Meine lange, zweijährige Reise ging nun langsam zu Ende und ich sog ein letztes mal die abenteuerlichen Gefühle in mich auf, die mich immer an einem solchen Ort der Reisenden erfassen...
Am nächsten Tag stieg ich 2 Stunden vor Martina in meinen neongelben Bus und war erst 24 Stunden später in Berlin. Meine Schwester stieg stattdessen 2 Stunden nach mir in den Flieger und war nach zweieinhalb Stunden in Frankfurt. Mit meinem vielen Gepäck nach 5 Monaten in Estland, wäre diese Variante für mich zu teuer geworden.
Ein Abschied nach Hause - was würde als Nächstes auf mich zukommen?

Sunday, January 20, 2013

"Woofing" auf der Schaafsfarm in Estland

Hey ihr alle auf der anderen Seite des Bildschirmes! 
Lange hab ich überlegt ob ich wohl jetzt, wo ich doch sesshaft geworden bin, noch einmal dazu kommen werde einen Blogeintrag hier hinein zu schreiben... 
Aber nun hat es mich einfach gepackt und ich konnte nicht mehr wiederstehen. Deshalb werde ich ersteinmal damit beginnen, Fehlendes aufzuholen!
Genau genommen beginnt dieses Fehlende noch in Estland, als ich im September beim "Woofing" eine Woche lang auf einer Schaafsfarm lebte.


Die Menschen, bei denen ich lebte, waren Esten und wir sprachen keine gemeinsame Sprache. Genaugenommen sprach der Mann ein wenig Englisch, war aber den ganzen Tag als Elektriker auf Arbeit. Und die Frau, mit welcher ich den ganzen Tag zusammen lebte, sprach immerhin ein paar Bröcken deutsch. Mit meinen paar Bröckchen estnisch war es ein sehr interessantes Zusammenleben, denn wir sprachen recht wenig und konnten uns trotzdem leiden (zumindest nehme ich das an!). Bei allem was gesagt wurde, musste man erst genau überlegen, wie man es ausdrückt und deshalb blieb "Unwichtiges" einfach aussen vor...

Küerbisse holen

Sie hatten eine ganze Menge Schaafe und ich war z.B. dabei, als alle in einem Raum zusammengetrieben wurden (wie ängstlich Schaafe doch sind!) und schliesslich mit Brot, einzeln durch ein Tor gelockt wurden. Dabei wurden sie gezählt, begutachtet und, leider, auch die Kranken "aussortiert". Sie bekamen einen bunten Punkt auf ihr weisses Fell gesprüht. Ich sah auch dabei zu, wie ein geschlachtetes Schaaf "auseinandergenommen" wurde...

Der Hund sah auch aus wie ein Schaaf. Ich habe ihn "snowball" (Schneeball) getauft, seinen richtigen Namen habe ich vergessen...

Alle Schaafe werden durch dieses "Tor" gelockt.
 

 Später wurden die lebendigen Schaafe geschoren und die relativ dreckige Schaafswolle in eine Fabrik gebracht. Als weisse, saubere Wolle kam sie zurück und dann half ich dabei, sie in grossen Töpfen in den unterschiedlichsten Farben zu färben und sie auf Rollen aufzuwickeln. 
Alte Frauen strickten daraus später Strümpfe und Mützen und die waren echt schön! Ich bekam ein Paar geschenkt als ich nach einer Woche ging...

Wolle aufwickeln...
 

...und färben.

 

Abbinden und dann färben - die Wolle wird bunt gestreift.


Mit dieser Maschiene stricken alte Frauen daraus wunderschoene bunte Mützen und Strümpfe.

... und fertig.
Dann wird alles verkauft.

Einmal fuhren wir zu einer anderen Farm, auf der die Menschen wirklich sehr einfach lebten und für einen Tag Andere einluden, ihr Leben etwas genauer kennen zu lernen. Die Besitzerin lief den ganzen Tag barfuss umher, obwohl es mittlerweile Ende September war und damit regnerisch und kalt. Ausserdem hatte ich noch nie jemanden so schnell und viel am Stück reden hören wie sie. Und das auch noch in einer anderen Sprache... Ich verstand kein Wort! 

Aber am Ende verstand ich doch, was wir machen sollten: Schaaffleisch und Gemüse in Alufolie einwickeln, damit es gekocht werden konnte. 


Stunden vorher hatten Sie ein Feuer in einer Kuhle entfacht und dabei relativ grosse Steine erhitzt. Darauf kam nun das eingewickelte Essen, Aluminiumplatten wurden auf das Loch gelegt, obenauf die bereits heisse Asche und für ein paar weitere Stunden wurde ein neues Feuer darauf entfacht.





Es war eine langwierige Arbeit auf diese Weise Essen zu kochen, doch am Ende schmeckte es gut!
Aber immer so einfach zu leben, bei jedem Wetter vollkommen im Einklang mit der Natur zu sein - nein, das wäre ganz sicher nichts für mich, wurde mir schnell bewusst.

Wieder zurück auf der Schaaffarm, arbeitete ich jeden Tag ungefähr 5 Stunden um mir Essen und Unterkunft zu verdienen, so ist das eben beim "Woofing". Dabei schnitt ich eine grosse Menge Gemüse zum einkochen. Die unglaublichste und gewöhnungsbedürftigste Aufgabe war aber, eine blutige, etwas übel riechende Schaafslunge in kleine Teile zu schneiden! Die bekam dann der Hund zu fressen.


Die Lunge eines Schaafes..
... in Einzelteile geschnitten für den Hund zum fressen.
 Ja, auf einer Schaaffarm zu leben bedeuted nicht nur, mit kleinen, süssen, weissen Wolkenschäfchen zu  kuscheln. Will man überleben und sich seinen Unterhalt damit verdienen, bringt man sie eben auch um und verkauft das Fleisch. Zu der Wiese, auf der die Schaafe grasten, fuhren wir immer mit einem kaputten Auto über Feldsstrassen. Das Bremspedal war ausser Kraft gesetzt und diese Aufgabe wurde nun nur noch von der Handbremse wahrgenommen. Um die Kurve herum, zog man also schnell die Handbremse an, lenkte, und "schlitterte" dann ein wenig, bis man wieder zum stehen kam. Eine sehr interessante Herangehensweise des Fahrens.
Auf dem Feld lagen dann tatsächlich überall Schaafspfoten und Kopfskelette herum, die frass ja der Hund...

überall lagen Schaafspfoten...
Die einzige Möglichkeit den jungen, unerfahrenen Hund zum Spielen zu bewegen, war mit einem Stock, auf den man das Kopfskelett eines Schaafes steckt...
   Am Ende hatte ich noch einen unglaublich peinlichen Unfall...
Nachdem ich ewig kein Auto gefahren war, traute ich es mir immerhin zu, mit dem alten Arbeitsauto die paar Hundert Meter zum Feld und wieder zurück zu fahren....


Der Hinweg verlief auch ganz gut, aber als ich rückwärts am Berg anfahren sollte, da war ich ein wenig überfordert... Dummerweise rollte ich ein paar Mal so weit nach vorne, dass ich schliesslich schon fast IM Zaun stand. Aus Panik trat ich nun ordentlich auf das Gaspedal und als das Auto endlich nach hinten anfuhr, dachte ich für ein paar Sekunden: "Ist da schon vorher Gras auf der Strasse gewesen?" und plumps - rollte ich schön sanft, direkt neben der unglaublich breiten Strasse in den Graben!

Da wo hier das Fahrrad liegt, stand eigentlich das grosse Arbeitsauto im Graben.
Wie blöd ich mir vorkam, das brauche ich euch sicher nicht zu beschreiben... Da borgte ich mir einmal ein Auto von fremden Menschen aus und fuhr es sofort neben einer so breiten Feldstrasse in den Graben. Es hatte zwar nicht einmal einen Kratzer abbekommen, aber es war viel zu schwer, um es allein wieder dort heraus zu bekommen.
Schweren Herzens musste ich also zu meinen Gastgebern gehen und die Tat beichten. Es war mir so unangenehm, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Aber anstatt mich böse anzuschauen, hatten sie nur Mitleid mit mir und sagten, ich solle doch nicht weinen! Sie bewegten sich nicht einmal sofort von der bequemen Couch hinweg um es wieder heraus zu holen, sondern sagten nur: "Ist doch nicht so wichtig, können wir auch Morgen noch dort heraus holen". Ich war einfach nur verblüfft - von ihrer Nettigkeit. Diese Menschen meinten es wirklich gut.


 Aber auch hier war ich irgendwie einsam. Ich wollte so gerne Menschen um mich herum haben, mit denen ich mich wirklich unterhalten konnte und die ich als Freunde bezeichnen durfte. Auch wenn ich in Estland so gut wie niemanden kannte - immerhin konnte ich ein paar Tagen später zu Jaak und seiner Familie zurueck fahren und war auch irgendwie froh darüber.