Hier ein nachträglicher Eintrag über meine Fahrradtour.
Meine Eltern waren schon seit ein paar Wochen wieder nach Deutschland zurückgekehrt, da war ich ein wenig gelangweilt und beschloss noch einen kleinen Trip auf eigene Faust zu unternehmen.
Erst wollte ich auf die Insel "Saaremaa" zum "Woofing". Das bedeutet, dass man ein paar Stunden täglich arbeitet und dafür freie Unterkunft und Essen erhält.
Aber am besagten Tag suchten wir so lange unser Portmonai, bis ich den Bus verpasste und mein Ziel vor dem nächsten Morgen nicht mehr erreichen konnte. Und da wurde mir plötzlich bewusst, dass ich eigentlich gar nicht wirklich dorthin wollte, sondern nur IRGENDETWAS hatte tun wollen. Also fuhr ich nicht.
Traditionell estnisch. |
Anstattdessen fuhr ich ein paar Tage später, Anfang September, alleine zur Farm. Ich hatte wohl ein paar einsame Tage vor mir, denn ich wollte eine Woche Fahrrad fahren und unterwegs irgendwo im Busch zelten.
Doch schon im Bus unterhielt ich mich sehr lange mit einer angehenden Musiktherapeutin, bekam von einer älteren Dame einen orangen, selbstgehäkelten Teddybären geschenkt und fand bei meiner Ankunft in der Farm einen Brief von meinen Schwestern auf dem Tisch. Ich war nicht alleine!
Doch schon im Bus unterhielt ich mich sehr lange mit einer angehenden Musiktherapeutin, bekam von einer älteren Dame einen orangen, selbstgehäkelten Teddybären geschenkt und fand bei meiner Ankunft in der Farm einen Brief von meinen Schwestern auf dem Tisch. Ich war nicht alleine!
Am nächsten Tag schnappte ich mir unser 30 Euro- Fahrrad ohne Gänge, mit welchem Jaak von Berlin nach Riga geradelt war, packte Schlafsack, Isomatte und Zelt auf den Gepäckträger, wickelte alles in eine blaue Plane als Regenschutz und band zur guten Sichtbarkeit eine gelbe Warnweste um all diese Dinge.
Ausserdem umwickelte ich den Sattel mit einer Decke, damit mein Po es auch eine Weile durchhalten würde.
Aus einer grossen Plastikflasche, die ich halb durchschnitt, baute ich mir selbst einen Trinkflaschenhalter und klebte diesen, wie die Luftpumpe, am Fahrrad an.
Ausserdem umwickelte ich den Sattel mit einer Decke, damit mein Po es auch eine Weile durchhalten würde.
Aus einer grossen Plastikflasche, die ich halb durchschnitt, baute ich mir selbst einen Trinkflaschenhalter und klebte diesen, wie die Luftpumpe, am Fahrrad an.
Es war bereits Mittag als ich endlich los kam.
Hochmotiviert begann ich meinen Trip im leichten Nieselregen. Doch schon nach ungefähr 2 km musste ich mich unter einem Baum unterstellen, da der Regen immer heftiger wurde. Während die schottischen Langhaar - Kühe neben mir interessiert die Köpfe in meine Richtung streckten, kam plötzlich ein ca. 30jähriger Mann aus dem angrenzenden Haus direkt auf mich zu gelaufen.
Ich bekam einen leichten Schrecken, stand ich doch auf seinem Grundstück, jetzt wollte er mich bestimmt vertreiben!
Ich bekam einen leichten Schrecken, stand ich doch auf seinem Grundstück, jetzt wollte er mich bestimmt vertreiben!
Unterstellen im Regen |
Aber es kam alles anders. Anstatt mich zu verscheuchen, lud er mich zum Essen mit seiner kleinen Familie ein. Da war ich gerade 2 km weit gefahren und an einem Ort, wo nur einmal in der Woche, immer Freitags ein Bus fuhr. Ich stand im Regen und durfte so schnell eine der schönsten Erfahrungen machen, die man eben auf einer Reise machen kann - Gastfreundschaft. Die Einladung über Nacht zu bleiben lehnte ich allerdings ab, wollte ich doch heute noch ein wenig weiter als nur bis zu den Nachbarn gelangen.
Ich wusste, dass meine Woche im Regen unangenehm sein könnte und ich nicht immer damit rechnen durfte, auf liebe Menschen in schweren Zeiten zu treffen. Aber diese Erfahrung hatte mir eine Menge Kraft und Freude gegeben, auch in unangenehmen Zeiten positive Gedanken im Kopf zu behalten.
Sehr oft sieht man diese liebevoll gepflegten Bushaltestellen |
Ein paar Ruinen am Strassenrand |
Als ich mich nach 2 Stunden verabschiedet hatte und ein paar Kilometer getremmelt war, kam ich in das Dorf "Varstu". Dieser kleine Ort liegt im selben Landkreis, wie auch unser Nachbarort "Krabi" und ich habe in meinem Leben noch keinen traurigeren, depressiveren Ort gesehen als dieses kleine Dörfchen "Krabi", mit seinen grauen Wohnblocks und der auch sonst so trostlosen Ansicht.
Arbeit gibt es dort kaum und der winzige Shop kann sich nur durch den Alkoholverkauf über Wasser halten und wann immer ich auch dort hinein komme, es ist immer mindestens eine Person dort, die sich am Billigbier vergreift.
Arbeit gibt es dort kaum und der winzige Shop kann sich nur durch den Alkoholverkauf über Wasser halten und wann immer ich auch dort hinein komme, es ist immer mindestens eine Person dort, die sich am Billigbier vergreift.
Aber "Varstu" sah ganz anders aus, eigentlich sehr ansehnlich mit dem grossen, blauen See und der hügeligen Landschaft. Aber der erste Eindruck trog.
Schon als ich diesen recht steilen Hügel in den Ort hinabfuhr, kam mir ein Betrunkener auf seinem Fahrrad entgegen.
Er versuchte zu fahren, schob, fuhr wieder, überquerte dabei die Strasse immer wieder von rechts nach links und wieder zurück, torkelte - und fiel schliesslich mit seinem Fahrrad mitten auf die Strasse. Ein Stöhnen kam aus seinem Mund und er schien sich lautstark darüber zu wundern, warum ihm denn dieses Missgeschick jetzt passiert war. Die Glasflaschen fielen mit lautem Geklirr auf die Fahrbahn und ich hielt ein paar Meter entfernt von ihm an um herauszufinden, ob er in Ordnung war. Er war einfach nur betrunken, hatte sich aber scheinbar nicht verletzt und so fuhr ich, alarmiert von dem Geschehenen, weiter in den Ort hinein.
Er versuchte zu fahren, schob, fuhr wieder, überquerte dabei die Strasse immer wieder von rechts nach links und wieder zurück, torkelte - und fiel schliesslich mit seinem Fahrrad mitten auf die Strasse. Ein Stöhnen kam aus seinem Mund und er schien sich lautstark darüber zu wundern, warum ihm denn dieses Missgeschick jetzt passiert war. Die Glasflaschen fielen mit lautem Geklirr auf die Fahrbahn und ich hielt ein paar Meter entfernt von ihm an um herauszufinden, ob er in Ordnung war. Er war einfach nur betrunken, hatte sich aber scheinbar nicht verletzt und so fuhr ich, alarmiert von dem Geschehenen, weiter in den Ort hinein.
Ich hatte keine Wahl, der nächste Shop war weit und ich musste genau hier einkaufen. Vor dem kleinen Laden sah ich wieder einen dieser Männer, mit seinem zu schnell gealterten Gesicht, einem 3- Tage- Bart und dem ungewaschenem, äusseren Aussehen. Ich wusste nicht, ob er auch ein Alkoholiker war, aber ich war besorgt. Da ich kein Fahrradschloss hatte, stellte ich das Fahrrad direkt vor das Schaufenster, um es von innen sehen zu können. Sicher würde niemand dieses heruntergekommene Fahrzeug klauen, aber vielleicht würde ein Betrunkener es versehentlich für sein Eigenes halten und damit davon fahren?
Einkaufen |
Im Laden wurde es nicht besser. Da war bereits der nächste, diesmal recht junge Mann, der lallend mit der Verkäuferin sprach und sein Bier bezahlte. Als er mich sah, sprach er mich sofort an. Nett und freundlich zwar, aber er war mir trotz allem nicht geheuer. Rasch griff ich ein paar Dinge, bezahlte und verliess den Laden. Ich musste hier weg!
Doch an der nächsten Kreuzung wusste ich nicht weiter und musste anhalten, um auf die Karte zu schauen. Und da kam der junge, betrunkene Mann auch schon aus dem Laden, sah mich, schrie hinter mir her um mich zum Anhalten zu bewegen und kam Schritt für Schritt näher.
Ja, da wurde mir doch Angst und Bange! Schnell packte ich meine sieben Sachen und wollte fahren, da verschob sich mein selbstgebauter Flaschenhalter, ich konnte nicht mehr tremmeln! Leichte Panik überkam mich, ich schob alles wieder in die richtige Richtung und fuhr einfach gerade aus, der Weg war jetzt egal. Hoffentlich war es keine Einbahnstrasse!
Denn jetzt hatte sich zu meinen Verfolgern auch noch eine Frau gesellt - und die sass auf einem Fahrrad! Sie hätte mich also einholen können. Gemeinsam liefen und fuhren sie hinter mir her und brüllten lautstark Dinge, die ich wegen der Sprache nicht verstehen konnte. Hatte ich vielleicht etwas liegen gelassen? Unbeholfen griff ich während der Fahrt nach meinem Rucksack und schaute nach ob etwas fehlte - alles da.
Denn jetzt hatte sich zu meinen Verfolgern auch noch eine Frau gesellt - und die sass auf einem Fahrrad! Sie hätte mich also einholen können. Gemeinsam liefen und fuhren sie hinter mir her und brüllten lautstark Dinge, die ich wegen der Sprache nicht verstehen konnte. Hatte ich vielleicht etwas liegen gelassen? Unbeholfen griff ich während der Fahrt nach meinem Rucksack und schaute nach ob etwas fehlte - alles da.
Ich entkam. Die Strasse führte mich auf den richtigen Weg und meine restliche Tagesreise verlief angenehm ruhig.
Am Abend fand ich einen kostenloses Campingplatz am See und machte im Nieselregen ein Lagerfeuer, was mir sofort gelang. Wie stolz war ich da!
Dann telefonierte ich mit Jaak und wollte nach dem Gespräch die restliche Wurst wieder einpacken, die vom Abendbrot übrig geblieben war.
Aber was war passiert, sie war verschwunden!
Ich schaute mich um - und fand die Übeltäter sofort. Die kleinen Katzen, die schon die ganze Zeit um mich herum gestrichen waren und mich mit ihren knusperbraunen Augen unschuldig ansahen, hatten mir nun mein Abendbrot streitig gemacht.
An den Tagen passierte nicht viel. Ich fuhr und fuhr, machte teilweise an jeder Bushaltestelle Halt und nahm mir einfach die Zeit, die ich eben brauchte. Ich suchte keinen Stress, sondern Ruhe. Die Ruhe, die man oft verliert wenn man sich von schnellen Autos oder überholenden Rennrädern gedrängt fühlt, sich dem Umfeld anzupassen und im selben Tempo mit zu ziehen.
In grösseren Ortschaften fühlte ich mich immer sehr unwohl. Mein Fahrrad war alt und klapprig, die Plane auf dem Gepäckträger löchrig, die anderen Bestandteile daran sehr primitiv und meine Klamotten wurden imme dreckiger. Die Gummistiefel und die grüne Regenjacke, die mir, nebenbei bemerkt, auch noch zu gross war, rundeten das Bild eines verwahrlosten Reisenden ab. Mir fiel es immer schwerer mein Selbstbewusstsein zu behalten und mich nicht an den boshaften Kommentaren ein paar halbstarker Jugendlicher zu stören. Wie musste es erst einem Bettler auf der Strasse ergehen?
Aber am Abend begann immer der interessanteste Teil des Tages. Wo würde ich schlafen?
Einmal befand ich mich in einer kleinen Stadt und hatte mir schon einen möglichen, kostenlosen Campingplatz auf der Karte ausgesucht. Aber ich fand den richtigen Weg nicht und dort war nur ein Friedhof, auf dem ich nach dem Weg fragen konnte. Dort waren allerdings keine Menschen, der Tag neigte sich immer mehr dem Ende zu und im Dunkeln wollte ich auf keinen Fall irgendwo auf einer einsamen Feldstrasse entlang radeln, ohne zu wissen, wo ich eigentlich hin wollte.
Also fuhr ich einfach in eine ganz andere Richtung, immer dem Zeichen mit dem Zelt nach, dort würde wohl ein Campingplatz sein. Die Strassen wurden immer holpriger und kleiner, es befand sich ab und zu eine Farm dort, aber das Zeichen mit dem Zelt blieb und zeigte fleissig in die bestimmte Richtung.
Schon vorher hatte ich die Erfahrung mit den Hunden gemacht. Immer wieder kam ein kleines Fellbüschel kläffend auf mich zugerannt, trat ich doch ungefragt in seinen rechtmässigen Bezirk ein. Wie oft hatte mein Herz schon einen kleinen Schreckens - Hüpfer gemacht, wenn ich die vertrauten Töne hörte, aber noch nicht wusste, wo sie herkommen.
Doch diesmal war es anders. Als ich dort auf meiner kleinen Holperstrasse entlang fuhr, kamen ganz plötzlich zwei riesige Hunde auf mich zugerannt, die mir bis zu den Hüften gingen. Ich war unsicher was zu tun, sie kläfften mich so böse an, dass ich nicht wusste ob ich nun ihr Mittagessen werden würde. Irgendwann waren sie beim Fahrrad und stellten sich so in den Weg, dass ich taumelte und nicht mehr fahren konnte. Ohne zu überlegen, bog ich in die Einfahrt auf ein Gelände ab, auf welchem direkt in meiner Nähe ein Mann arbeitete. Er sah mich an - und schaute wieder weg. Wollte er nicht seine wild gewordenen Hunde zurück rufen?
Während ich versuchte mein Fahrrad aufrecht zu halten und merkwürdige, unsichere Laute von mir gab, zwickte mich der erste Hund ins Bein und der Mann - der pflanzte einfach friedlich weiter seine Blumen.
Erst als eine Frau aus dem Haus kam und sich mit mir unterhielt, liessen die Hunde langsam von mir ab.
Denn dieser Ort stellte sich als der Campingplatz heraus, auf dem ich heute übernachten würde. Eigentlich war es kein Campingplatz, nur ab und zu übernachtete eine Gruppe von Menschen in der grossen Sauna, der auch ein paar Gemeinschafts- und Schlaafräume anhingen. Nicht einmal einen Preis für die Nacht konnte man mir sagen, den sollte ich mir selber ausdenken. Als ich später in die Sauna kam und eine Dusche nehmen wollte, erklärte mir ein anderer Mann mit Händen und Füssen, dass ich das nicht darf, weil er jetzt hinein gehen wird.
Also sprang ich in den eiskalten See um den Staub der Strasse abzuwischen und beobachtete die Hunde, die in meinen Sachen herum schnüffelten und ihr Markier markierten. Als ich zu meinem Zeltplatz zurückkehrte, sah ich, wie einer der Hunde es ganz genau nahm und einen warmen, gelben Strahl aus Urin auf meinen Rucksack auslaufen liess. Na klasse. Der Uringestank hatte mir natürlich noch gefehlt, um einen perfekten Obdachlosen abzugeben.
Am nächsten Tag legte ich ein paar Münzen vor die Tür, weil keiner auf mein Klingeln reagierte und weg war ich.
Pause in den Bushaltestelle |
Mais essen vom Feld |
Aber am Abend begann immer der interessanteste Teil des Tages. Wo würde ich schlafen?
Einmal befand ich mich in einer kleinen Stadt und hatte mir schon einen möglichen, kostenlosen Campingplatz auf der Karte ausgesucht. Aber ich fand den richtigen Weg nicht und dort war nur ein Friedhof, auf dem ich nach dem Weg fragen konnte. Dort waren allerdings keine Menschen, der Tag neigte sich immer mehr dem Ende zu und im Dunkeln wollte ich auf keinen Fall irgendwo auf einer einsamen Feldstrasse entlang radeln, ohne zu wissen, wo ich eigentlich hin wollte.
Also fuhr ich einfach in eine ganz andere Richtung, immer dem Zeichen mit dem Zelt nach, dort würde wohl ein Campingplatz sein. Die Strassen wurden immer holpriger und kleiner, es befand sich ab und zu eine Farm dort, aber das Zeichen mit dem Zelt blieb und zeigte fleissig in die bestimmte Richtung.
Schwarze und weisse Schaafe |
Dieser kleine Hund war ganz gewiss nicht gemein gefährlich |
Doch diesmal war es anders. Als ich dort auf meiner kleinen Holperstrasse entlang fuhr, kamen ganz plötzlich zwei riesige Hunde auf mich zugerannt, die mir bis zu den Hüften gingen. Ich war unsicher was zu tun, sie kläfften mich so böse an, dass ich nicht wusste ob ich nun ihr Mittagessen werden würde. Irgendwann waren sie beim Fahrrad und stellten sich so in den Weg, dass ich taumelte und nicht mehr fahren konnte. Ohne zu überlegen, bog ich in die Einfahrt auf ein Gelände ab, auf welchem direkt in meiner Nähe ein Mann arbeitete. Er sah mich an - und schaute wieder weg. Wollte er nicht seine wild gewordenen Hunde zurück rufen?
Während ich versuchte mein Fahrrad aufrecht zu halten und merkwürdige, unsichere Laute von mir gab, zwickte mich der erste Hund ins Bein und der Mann - der pflanzte einfach friedlich weiter seine Blumen.
Erst als eine Frau aus dem Haus kam und sich mit mir unterhielt, liessen die Hunde langsam von mir ab.
Denn dieser Ort stellte sich als der Campingplatz heraus, auf dem ich heute übernachten würde. Eigentlich war es kein Campingplatz, nur ab und zu übernachtete eine Gruppe von Menschen in der grossen Sauna, der auch ein paar Gemeinschafts- und Schlaafräume anhingen. Nicht einmal einen Preis für die Nacht konnte man mir sagen, den sollte ich mir selber ausdenken. Als ich später in die Sauna kam und eine Dusche nehmen wollte, erklärte mir ein anderer Mann mit Händen und Füssen, dass ich das nicht darf, weil er jetzt hinein gehen wird.
Also sprang ich in den eiskalten See um den Staub der Strasse abzuwischen und beobachtete die Hunde, die in meinen Sachen herum schnüffelten und ihr Markier markierten. Als ich zu meinem Zeltplatz zurückkehrte, sah ich, wie einer der Hunde es ganz genau nahm und einen warmen, gelben Strahl aus Urin auf meinen Rucksack auslaufen liess. Na klasse. Der Uringestank hatte mir natürlich noch gefehlt, um einen perfekten Obdachlosen abzugeben.
Am nächsten Tag legte ich ein paar Münzen vor die Tür, weil keiner auf mein Klingeln reagierte und weg war ich.
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Aber nicht immer lief es so ab. Ich hatte einen Tag, an dem es in Strömen regnete, mein einziger Schutz die Bäume waren, ich in der Kälte mit den Zähnen klapperte und wenn ich dann doch einmal weiterfahren konnte, fuhr ich nur auf einem grossen, befahrenen Highway, auf welchem die Trucks mich überholten und mir Angst und Bange wurde. Doch einen Umweg gab es nicht.
Aber es gab auch einen sehr schönen Tag, an welchem die Sonne ihre warmen Strahlen zur Erde schickte, der blaue Himmel über mir zu leuchten schien und ich endlich die wunderschönen Aussichten um mich herum geniessen konnte. Ein wenig einsam war es, da ich als scheinbar Obdachloser kaum Menschen kennen lernen konnte, aber an diesem Abend kam ich an einen sehr schönen, ländlichen Ort, in dem nur ein paar Häuser standen. Zwei davon waren Bungalows und ich traf auf eine sehr nette Frau, die Eigentümerin, mit der ich bald in ein interessantes Gespräch verwickelt war. 17 Betten gab es in einem dieser Bungalows, es hatte zwei Etagen, eine Sauna, eine Dusche und eine Küche mit Tee, Kaffee und Kleinigkeien zu essen. Erst gestern war eine Gruppe von finnischen Jägern abgereist und da sie noch nicht geputzt hatte, gab sie mir dieses Bungalow nun für eine Nacht - für 10 Euro! Ich war wirklich dankbar.
Mein Heim für eine Nacht |
Ein Luchs an der Wand |
Am vierten Tag kam ich in "Pärnu" an, das Ziel meiner Reise. Ungefähr 250 km war ich geradelt.
Eine schöne, kleine Stadt |
Ich suchte mir einen billiges Hostelzimmer, stellte fest, dass auch Estland von deutschen Touristen überflutet ist und blieb zwei Nächte dort.
Dann ging es am frühen Morgen des fünften Tages mit dem Fahhrad auf eine kleine Fähre.
Mein Ziel war die Insel "Kihnu", die ungefähr 12 km südwestlich von Estland liegt. Im Winter kann man über die meterdicke Eisschicht der Ostsee (hier Westmeer genannt), auch mit einem Auto fahren, aber dafür war es jetzt natürlich noch zu früh.
Irgendwie wurde ich etwas melancholisch, als der Boden unter mir auf einmal hin- und herwackelte und ich wusste, vor dem nächsten Morgen konnte ich nicht wieder aufs Festland zurück. Auf einer Insel wohnen und nur die Häuser und Menschen um mich herum immer wieder sehen, nein, das würde mir auch nicht gefallen. Nur ein einziger Fahrgast sass mit mir im Aufenthaltsraum - eine Frau, Mitte Vierzig, die irgendwie unglücklich aussah.
Da bleibt das Festland zurück |
Ein kleines Kälbchen am Strassenrand |
Den ganzen Tag radelte ich über die Insel, die nur 7 km lang und 3,3 km breit ist. Man soll wohl noch recht "hinterwäldlich" dort leben wurde mir vorher gesagt, vom Fischfang und von der Landwirtschaft. Menschen würden in ihren traditionellen Klamotten umherlaufen, jeden Tag und auf alten, klapprigen Mottorrädern mit Beiwagen umher fahren.
Ich sah nur eines dieser Motorräder und zwei alte Frauen, die in traditionellen Klamotten steckten. Um einen wirklichen Einblick zu gewinnen, wie diese Menschen sind und leben, dafür reicht ein Tag gewiss nicht aus. Viel mehr fuhr ich auf schönen, kleinen Strassen, sah mir den Leuchtturm an, genoss die Ruhe am Meer und sah nur kurz ein paar Frauen zu, die für ein paar Touristen Lieder sangen und dazu klatschten. Mir ist es immer etwas unangenehm in den Alltag und die Privatsphäre von Menschen so sehr einzudringen, wie auf dieser kleinen Insel, auf der man sich kaum in einer Ecke verstecken kann. Dann macht man Fotos von dem Leben anderer Menschen und hat doch das eigentliche Leben dort nicht kennen gelernt.
Eine russisch - orthodoxe Kirche |
Ein russisch - orthodoxes Kreuz |
Am Abend wäre ich am liebsten gleich zurück nach "Pärnu" gefahren, aber die nächste Fähre fuhr erst am nächsten Morgen um 6,00 Uhr in der Früh. Im Internet hatte ich einen sehr günstigen Zeltplatz gefunden, zu dem ich nun hinwollte, aber ich fand nur einen anderen, der mich mein halbes Vermögen gekostet hätte.
Also wartete ich bis es Abend wurde und baute dann heimlich mein Zelt im Gebüsch auf. Das ist auf einer viel bewohnten, kleinen Insel relativ kompliziert, da man nicht unbedingt beim "wildcampen" erwischt werden möchte, wenn doch überall um einen herum Campingplätze vorhanden sind.
Aber die wenigen, dunklen Stunden, die ich in der Nacht schlief, waren kein Problem. Am nächsten Morgen regnete es natürlich wieder.
Trotz Regen war ich ehrleichtert, als ich die Fähre am nächsten Morgen hinter mir gelassen hatte und damit auch die immer noch unglücklich aussehende Frau, die wieder mit mir fuhr. Grosse LKW´s, Busse und Bagger waren heute auch mit dabei.
In "Pärnu" hatte ich noch einen ganzen Tag. Im Regen. Ohne Unterkunft. Ich lief und lief, bis ich mir irgendwann eine heisse Schokolade kaufte und dabei austestete, wie lange man mit einem einzigen Getränk im Cafe sitzen bleiben kann, ohne, dass es auffällt.
Schon als ich in die Stadt "Pärnu" vor zwei Tagen hereingekommen war, hatte ich mich komplett verirrt. Nun suchte ich den Bahnhof und damit die Haltestelle, von der aus ich nach Tallinn fahren könnte. Das stellte ich mir ungemein einfach vor, hatte ich sie doch schon auf meiner Karte markiert und ausserdem wollte ich doch in die Hauptstadt des Landes, dafür müsste es wohl eine ordentliche Haltestelle geben.
Aber ich suchte und suchte, weiter und weiter, dann wieder zurück, nach rechts und links und überall. Ich fragte Leute und stellte zufrieden fest, dass ich mir in den letzten Monaten doch schon einige Kenntnisse in der estnischen Sprache angeeignet hatte.
Als ich diesen kleinen Trampelpfad entdeckte und ihm folgte, landete ich auf einmal überraschend an ein paar Schienen. Anstatt des erwarteten Bahnhofs mit einer Halle, in der ich mich unterstellen könnte, gab es hier nur ein Paar Schienen, nur ein Gleis und nur ein Schild, dass mich in die Hauptstadt schickte.
Doch die Sonne war wieder herausgekommen und ich setzte mich auf eine Bank und las ein Buch - auf dem Friedhof.
Friedhöfe in Estland haben nämlich ihren ganz besonderen Reiz finde ich. Dort ist nicht ein Grab neben dem Anderen in perfekten Reihen angeordnet. Sie kosten nicht ein Vermögen und sind nicht alle übersät von Pflanzen, um die man sich regelmässig kümmern muss, um nicht den Eindruck zu erwecken, das Grab wäre ungepflegt.
Auf diesem Grabstein ist bereits Name und Geburtsdatum der Frau eingemeisselt, obwohl sie noch gar nicht gestorben ist. |
Hier ist jedes Grab individuell und teilweise sehr alt. Da findet man wild durcheinander stehende Kreuze, um die herum nichts weiter als grüne Wiese ist. Kleine Umrandungen aus Steinen wurden gebaut, die Innenflächen auf dem Boden ausgefüllt mit Sand, der regelmässig ordentlich gerächt wird.
Kleine, zerbrochene Kreuzchen oder grosse Grabsteine mit Namen, Geburts- und Todesdaten stehen dort und auf grosse Familiengräber führt ein Plattenweg, über den man bis zum Grabstein gelangt.
Aber das schönste ist: Oft steht darauf eine Bank. Wie überrascht ich war, als ich das das erste Mal wahrnahm, aber wie schön ist es, wenn man sich im Sonnenschein darauf niederlassen kann um dem Toten zu gedenken, oder eben als Unbekannter ruhig ein Buch zu lesen.
Eine kleine Bank auf dem Grab sieht man hier immer wieder |
Oft führt auch ein kleiner Weg zum Grabstein |
Als mein Zug letztendlich kam, war ich ein wenig gestresst. Mit dem Gepäckträger voller Zeug war mein Fahrrad nicht nur unhandlich, sondern auch schwer. Wie sollte ich es ganz alleine nun die paar Stufen hinauf in den Zug befördern? Und es kam auch wirklich wie erwartet. Ich versuchte mein Glück im letzten Wagen und nahm dabei nicht wahr, dass die Stufen nicht alle ausgeklappt waren, was die Sache natürlich noch erschwerte. Genau genommen war es unmöglich. Das Fahrrad stand fast senkrecht, als sich das Vorderrad bereits auf der obersten Stufe im Zug befand, aber das Hintere noch immer ausserhalb. Das Gepäck rutschte an die Seite und meine Arme fingen vor lauter Anstrengung an zu zittern. Ich winkte der Fahrkartenkontrolleurin im Zug zu und sie zeigte mir einen besseren Eingang. Ich war ungemein ehrleichtert, als mit ihrer Hilfe endlich alles im Zug angekommen war.
Als ich ein paar Stunden später in Tallinn aus dem überfüllten Zug stieg, freute ich mich auf Jaak, auf eine warme Dusche und eine leckere Mahlzeit.
Und da war sie auch schon wieder vorbei, meine Fahrradtour. |
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